Fest steht: Die Opfer benötigen Hilfe. Frauennotruf, Beratungsstellen und das Autonome Frauenhaus ins Ostholstein können diese Hilfe bieten. Doch Letzteres ist fast immer voll belegt. Beinahe täglich müssen die Mitarbeiterinnen Hilfesuchende abweisen. In den vergangenen sechs Jahren waren es insgesamt 1400 Frauen und Kinder, die Schutz suchten und nicht aufgenommen werden konnten. Damit dies in Zukunft seltener geschieht, soll ein zweites Frauenhaus errichtet werden. Anna-Theresa Boos treibt das Vorhaben seit Monaten massiv voran. Die Gleichstellungsbeauftragte arbeitet seit drei Jahren für den Kreis. Sie sagt: „Der 2023 gewählte Landrat war eine Zäsur. Er sieht den Gewaltschutz von Frauen als gesellschaftliche Gesamtaufgabe an.“ Hinter der Aussage steckt mehr als ein Lob. Es geht um Geld, um Rückwind für das Thema. Der Kreis stellt aktuell jährlich rund 270.000 Euro für die eingangs genannten Institutionen bereit. Erstmals seit Jahren sprechen Mitarbeitende von einer finanziell beruhigenden Lage.
Für Aufsehen sorgte kürzlich eine Mitteilung der ostholsteinischen SPD-Kreistagsfraktion. Demnach soll es ein Grundstück geben, auf dem ein neues Frauenhaus gebaut werden kann. Dies hatte Gaarz zuvor im Haupt- und Finanzausschuss berichtet. Eine Nachfrage bei Kreissprecherin Annika Sommerfeld brachte nun etwas mehr Klarheit. Demnach wurden bislang keinerlei Verträge unterschrieben. Es sei nichts spruchreif. „Die Suche nach einer passenden Fläche ist generell sehr schwierig“, sagt Anna-Theresa Boos. Sollte sie erfolgreich sein, gebe es sehr wahrscheinlich Fördermittel vom Land, um ein Frauenhaus zu bauen. „Es wäre unser Wunsch, wenn das Autonome Frauenhaus dieses dann ebenfalls betreiben würde“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte.
Der Bedarf ist in jedem Fall groß. Das Team vom Frauenhaus Ostholstein spricht von 21 fehlenden Plätzen. Zugleich wird betont: „Es gibt keine Statistik darüber, was mit den Frauen geschieht, die nicht in andere Frauenhäuser weitervermittelt werden können. Wenn wir mangels Platz eine Frau abweisen müssen, heißt es nicht, dass sie anderswo keinen Platz findet.“ Man könne nur spekulieren, was mit Frauen geschehe, die keinen Platz fänden. „Es wird sicher viele Frauen geben, die in das häusliche Umfeld mangels Alternative zurückkehren. Die Folgen für die Frauen und Kinder lassen sich daher nur erahnen und unterliegen sicher einer hohen Dunkelziffer“, führen die Mitarbeiterinnen aus.
Eine Mitarbeiterin vom Verein Frauenberatung und Notruf Ostholstein in Neustadt äußert sich ähnlich: „Auch wir haben häufig die Schwierigkeit, einen Frauenhausplatz in Schleswig-Holstein zu finden. In den Fällen, in denen andere Schutzmaßnahmen aufgrund der hohen Gewaltbereitschaft des Täters nicht ausreichen, bleibt dieser Weg aber alternativlos.“
Weiter betont sie: „Besonders Kinder, die häusliche Gewalt miterleben oder selbst betroffen sind, benötigen schnelle, sichere Unterbringung und Zugang zu psychosozialer Betreuung. Ein weiterer Standort würde genau das ermöglichen.“ Für Anna-Theresa Boos geht es um weit mehr als ein neues Frauenhaus. „Es geht um Prävention. Wir wollen jede von Gewalt betroffene Frau zur Beratung kriegen, damit wir sie herausbekommen“, betont sie. Aus diesem Grund seien Frauenberatungsstellen extrem wichtig. „Das effizienteste ist es, an Schulen zu gehen.“ Kinder und Jugendlichen müssten verstehen, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen falsch ist.