Ostholstein: Mehr Beratungen bei häuslicher Gewalt
Die Taten werden brutaler, es fehlt an Schutzräumen – Ostholstein sieht dringenden Handlungsbedarf

Der Frauennotruf Ostholstein ist die einzige Beratungsstelle im Kreis, die Opfer von Partnerschaftsgewalt berät. In Neustadt gibt es vier Mitarbeiterinnen: Julia Dabelstein (l.) und ihre Kollegin sind gehören dazu.Foto: Sebastian Rosenkötter
ostholstein. Schläge, Beleidigungen, Todesdrohungen, Stalking – häusliche Gewalt ist vielfältig. Die Opfer sind fast immer weiblich. Das weiß in Ostholstein kaum jemand besser als Julia Dabelstein. Die Systemische Beraterin und Therapeutin gehört zum Team des Frauennotrufs Ostholstein. Sie und ihre Kolleginnen beraten immer mehr Mädchen und Frauen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Ob die Zahl der Gewalttäter zunimmt, lässt sich nicht sagen. Klar ist, es werden mehr Fälle bekannt. Allein in 2024 hat der Frauennotruf 404 Personen beraten. Julia Dabelstein erklärt: „Das Thema ist gesellschaftsfähiger geworden. Es wird eher darüber gesprochen. Und die Politik hat sich auf den Weg gemacht.“ Hinzu komme, dass die Polizei immer häufiger Opfer von Gewalt an die Beratungsstelle verweisen würde. Ein weiterer Aspekt sei die Art der Gewalt. Stalking – auch im digitalen Raum – hätten zugenommen. Ähnlich äußert sich Dagmar Wölm von der Frauenberatungsstelle in Bad Oldesloe. „Ich beobachte eine Zunahme bei der Intensität der Fälle. Die Taten werden brutaler, bedrohlicher und gefährlicher“, führt sie aus.

Fußfessel und
GewalthilfegesetzEinig sind sich die Beraterinnen in Stormarn und Ostholstein, dass sich die Lage für die Opfer von Gewalt in den vergangenen Jahren verbessert hat.Die Einführung der elektrischen Aufenthaltsüberwachung– auch als Fußfessel bekannt – ist ein Baustein. Hinzu kommen das Gewalthilfegesetz, das Opfern von Gewalt einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung zusichert.

Ist also alles gut? „Nein.“ Die Antwort von Julia Dabelstein ist eindeutig. Nach wie vor benötigen die Beratungsstellen trotz zuletzt gestiegener finanzieller Zuwendungen mehr Geld. Zudem mangelt es landesweit an Plätzen in Frauenhäusern sowie Schutzwohnungen, in denen vor allem Frauen und Kinder schnell und anonym untergebracht werden können.

Frauenhaus Ostholstein
fehlen Plätze

Eine Mitarbeiterin des Frauenhauses Ostholstein führt aus: „Wir können mitteilen, dass wir im Jahr 2024 insgesamt 201 Frauen und Kinder aus Platzmangel nicht aufnehmen konnten. Es ist zunehmend schwieriger, die Frauen in eigene Wohnungen zu vermitteln.“ Dies liege an der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt.

Verschärft werde die Situation unter anderem dadurch, dass die Anfragen für Plätze zugenommen hätten. Dazu sagt die Mitarbeiterin: „Die Hintergründe lassen sich nur erahnen, da die Dunkelziffer der betroffenen Frauen wesentlich höher sein wird.“

Losgelöst davon stellt sich die Frage, wie Taten verhindert werden können. Ein Ansatz ist laut Julia Dabelstein die Gleichstellung der Geschlechter: „Es ist leichter, Gewalt auszuüben, wenn jemand unter mir steht. Häufig gibt es ein Machtgefälle zwischen Männer und Frauen. In Ländern, in denen die Gleichstellung weiter ist, gibt es weniger Gewalttaten.“

Sollte es dennoch zu häuslicher Gewalt kommen, ist es wichtig, dass Betroffene Hilfsangebote wie den Frauennotruf und den Weißen Ring kennen.

Holger Dabelstein ist Leiter der Außenstelle des Weißen Rings in Ostholstein. Die Opferschutzorganisation spielt unter anderem eine Rolle, wenn es darum geht, eine sogenannte gerichtliche Schutzanordnung zu erwirken. Er betont: „Wir begleiten die Personen, die oft sehr verunsichert sind, zum Amtsgericht. Es geht darum, für Stabilität zu sorgen und das Verfahren zu erläutern.“ Zehn Prozent der Kriminalitätsopfer, die der weiße Ring betreut, sind mittlerweile Opfer von häuslicher Gewalt. und sas/ser

Frauennotruf Ostholstein Plöner Straße 39 Eutin, Tel. 04521 73043, www.frauennotruf-oh.de

Weißer Ring Ostholstein Holger Dabelstein, Tel. 0151/55164750, Mail: ostholstein@mail.weisser-ring.de

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