WBS: Von der „Eintagsfliege“
zur festen politischen Kraft
Wählergemeinschaft Bad Schwartau feiert ihren 30. Geburtstag – Gruppierung ging aus der Statt-Partei hervor.

Sie sind die führenden Köpfe der Wählergemeinschaft: Wolf-Rüdiger Traß (69) als Fraktionsvorsitzender und Jörg-Reiner Zacharias (73, r.) als Vorsitzender.Foto: Sebastian Prey
Bad Schwartau. Eine andere Politik, ein anderer Stil und keine Rücksicht auf Parteiprogramme. Genau das war für 20 Frauen und Männer am 8. August 1995 der Grund, an der Gründungsversammlung der Wählergemeinschaft Bad Schwartau (WBS) im Feuerwehrhaus Fünfhausen teilzunehmen. „Unser Ziel ist und war es, allein zum Wohl der Bad Schwartauer Bürger zu entscheiden. Das ist uns mal mehr und mal weniger geglückt“, sagt Gründungsmitglied Jörg-Reiner Zacharias durchaus selbstkritisch.

Die WBS hat unter anderem dafür gesorgt, dass im Rathaus ein Bürgerbüro eingerichtet wurde. Auch die Schulbudgetierung und den Bau des Recyclinghofes schreibt sich die Wählergemeinschaft mit auf ihre Fahne. Zudem hat sich die WBS stets für den Ankauf des Amtsgerichtsgebäudes ausgesprochen. „Dazu stehen wir heute noch“, sagt Zacharias. „Doch die großen zusätzlich geplanten Investitionen mit einem weiteren Gebäudeanbau werden wir nicht mittragen.“ Denn bei der WBS genieße eine „sorgsame Haushaltsführung“ oberste Priorität.

Zacharias war einer der Initiatoren der WBS und ist einer von heute noch fünf aktiven Gründungsmitgliedern. 30 Jahre nach der Gründung ist er weiter das Gesicht der Gruppierung. Der 73-jährige Vorsitzende sitzt zudem für die WBS gemeinsam mit drei weiteren Vertretern (Dietmar Laue, Peter Golik und Wolf-Rüdiger Traß) in der Stadtvertretung.

Hervorgegangen ist die WBS aus der Statt-Partei, die bereits im Februar 1994 einen Ortsverband in Bad Schwartau gegründet hatte. Nur wenige Wochen später landete die Statt-Partei bei der Kommunalwahl im Frühjahr 1994 einen Coup – mit 14,6 Prozent der Stimmen gingen gleich vier Mandate an die politischen Newcomer. Doch in den kommenden Monaten wurden die Querelen in der bundesweit aktiven Statt-Partei mehr und mehr zur Belastung. Und so traten alle aus der Partei aus und die parteiunabhängige WBS wurde gegründet.

„Der damalige Bürgermeister bezeichnete den Erfolg der Neulinge noch als Eintagsfliege“, erzählt Zacharias rückblickend. „Davon kann nach 30 Jahren keine Rede mehr sein.“Doch bei der WBS herrschte im Verlauf der Jahrzehnte nicht nur eitel Sonnenschein. Am Anfang seien die meisten Mitglieder privat gut befreundet gewesen. Zacharias: „Wir waren politisch auf einer Wellenlänge, haben gemeinsame Ausflüge gemacht und wollten das Beste für unsere Stadt.“

Es gibt keinen

Fraktionszwang

Doch über die Jahre veränderte sich die Struktur und bei einigen habe auf einmal die persönliche Auffassung im Mittelpunkt gestanden. Daraus hat die WBS gelernt. „Wir haben einen gemeinsamen Anspruch und nehmen nicht jeden auf“, sagt Fraktionschef Wolf-Rüdiger Traß. Aktuell zählt die WBS 20 Mitglieder. Nach wie vor gilt, dass es keinen Fraktionszwang bei der WBS gibt. „Es kommt eher selten vor, aber es wird schon mal unterschiedlich abgestimmt.“

Überraschend war die Entscheidung der WBS, zur Kommunalwahl 2018 aus personellen Gründen nicht anzutreten und dann aus dem Stand 2023 mit 11,9 Prozent wieder aufzutauchen. „Das Ergebnis zeigt, dass die WBS von den Leuten gewünscht ist. Wir werden nie etwas allein entscheiden können, aber wir sind als Mittler gefragt und halten nichts vom Lagerdenken. Das sollte in der Kommunalpolitik keine Rolle spielen“, sagt Zacharias. Dass die WBS häufig mit der CDU stimme, habe in erster Linie damit zu tun, dass man beim Thema Haushalt meist auf einer Linie sei. „Wir verstehen uns aber nicht als Juniorpartner der CDU.“ SEP
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