Unterkunft in Siems: Anwohner haben Sorgen
Wenig Busse und kein Supermarkt in der Nähe – 130 Geflüchtete ziehen im Herbst
in ehemalige Tischlerei.

Vor allem Familien sollen laut Stadt in das Gebäude Am Teichberg im Lübecker Norden einziehen.Foto: Marcus Kaben
Lübeck. Gleich mehrfach machte Sozialsenatorin Pia Steinrücke den rund 100 Anwohnern klar, dass die Verwaltung nicht mit den Bürgern darüber diskutiert, wo eine Flüchtlingsunterkunft entsteht. Bei den Informationsveranstaltungen vor Ort gehe es darum, den Bürgern das Betreuungskonzept nahezubringen und ihre Sorgen aufzunehmen.

Vereinsheim Am Brook in der Straße Am Herrenmoor: Unter den Anwesenden herrscht eine angespannte Stimmung. Siems sei schon genug belastet, und jetzt solle eine weitere Gemeinschaftsunterkunft eröffnet werden, klagen mehrere Bürger. Sozialsenatorin Steinrücke und ihre Fachfrauen legen erst einmal die Fakten auf den Tisch.

Ab Mitte Oktober soll die neue Unterkunft am Teichberg belegt werden. Insgesamt stehen 130 Plätze zur Verfügung, allerdings in abgeschlossenen Wohnungen. Die Stadt werde hauptsächlich Familien hier unterbringen, erklärt Ronja Lipkow, kommissarische Teamleiterin der Flüchtlingsunterbringung.

Die Stadt hat das Gebäude für fünf Jahre gemietet, mit Option auf eine Verlängerung. Die sei aber nicht geplant, erklärt die Sozialsenatorin. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Johanniter betreuen die Unterkunft. Täglich von 7 bis 17 Uhr sei das Büro mit hauptamtlichen Kräften besetzt, nachts gebe es einen Wachdienst und außerdem würden DRK und Johanniter eine Rufbereitschaft organisieren.

Für die Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkunft werde es Beschäftigungsangebote, Sprachkurse und Hausaufgabenhilfe geben, sagt Annika Keup vom DRK. Auf dem Gelände werde es Spielmöglichkeiten, einen kleinen Bolzplatz und eine Grillfläche geben.

Doch die Lage der Unterkunft ist ein Problem. Anwohnerinnen berichten von schlechten Busverbindungen und fehlenden Einkaufsmöglichkeiten. „Als wir die Unterkunft geplant haben, waren die Busverbindungen noch deutlich besser“, räumt Ronja Lipkow ein. Sozialsenatorin Steinrücke will dazu das Gespräch mit der für ÖPNV zuständigen Bausenatorin Joanna Hagen (parteilos) suchen.

Mehrere Anwohner machen sich Sorgen wegen möglicher Gewaltdelikte. „In Unterkünften mit abgeschlossenen Wohnungen entstehen viel weniger Konflikte als in den großen Gemeinschaftsunterkünften“, sagt Pia Steinrücke. „Wenn es mal Konflikte gibt, braucht man nicht das SEK“, beruhigt Annika Keup die Anwohner.

Auch Sorgen über den Wertverlust der umliegenden Häuser taucht auf. Abdullah und Nagikan Y., das Ehepaar will den vollständigen Nachnamen nicht nennen, berichten von einem Gutachten für ihr Haus, das direkt an die Unterkunft grenzt. „Das Haus ist jetzt 100.000 Euro weniger wert“, habe ein Gutachter gesagt.

Sozialsenatorin Steinrücke sagt den Anwohnern zu, zu einer weiteren Informationsveranstaltung zu kommen, wenn die Unterkunft belegt ist. Die Stadt brauche weitere Gemeinschaftsunterkünfte, weil allein 2024 durch Auslaufen von Mietverträgen 300 Plätze verloren gegangen seien.

Aktuell würden 2139 Geflüchtete in 40 Unterkünften leben. Die Verwaltung bekäme Zuweisungen mit vier Wochen Vorlauf vom Land angekündigt, erklärt Ronja Lipkow: „Wenn eine Familie mit zwölf Mitgliedern oder mit zwei Rollstuhlfahrern zugewiesen wird, muss ich sie unterbringen.“ Im Juli kamen 70 Geflüchtete nach Lübeck, im August bisher 59.

Am Teichberg in Siems bleibt es aber nicht bei einer neuen Gemeinschaftsunterkunft. André Boeck, Eigentümer der Immobilie, plant auf dem Gelände zusätzlich 20 Tiny Houses. Eine Bauvoranfrage bei der Stadt laufe, er habe bereits jetzt 300 Interessenten, sagt Boeck und versichert: „Dort werden keine weiteren Flüchtlinge oder Wohnungslose untergebracht.“ dor
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