Seine Mutter sagt: „Marc ist auf seine jetzige Begleitung, die auch mit ihm die Schule wechseln würde, angewiesen. Sie ist quasi seine Übersetzerin.“ Denn andere würden seine Reaktionen oft nicht richtig deuten können. Marc sei schnell überreizt. Bevor die Situation eskaliere, erkenne seine Begleitung die Anzeichen und könne ihn rausnehmen.
„Ohne diese feste Bezugsperson ist Marc nicht beschulbar“, sagt seine Mutter. Sie hat Angst, dass er in Depressionen verfallen könnte. Diese gab es zu Beginn von Marcs Schulzeit. „Damals hatte er Riesenprobleme, wurde oft verprügelt, biss sich vor Verzweiflung selbst, schlug mit dem Kopf an die Wand. Ich musste ihn ständig abholen.“ Angelika N. sagt, ein Kind wie Marc komme nicht mit wechselnden Bezugspersonen klar.
Mobbing und Überforderung hätten lange die Schulzeit ihres Kindes geprägt, sagt Luisa V. Jan (15) gelinge es erst seit 2022 mit einer festen, erfahrenen Schulbegleiterin, den Unterricht zu bewältigen. Er soll in einem Jahr den Ersten Allgemeinen Schulabschluss (ESA) machen. „Das ist für ihn ohnehin eine große Aufregung. Er hat Angst, die Anforderungen nicht zu schaffen“, berichtet seine Mutter. Die Fachkraft für Autismus, die Jan bisher betreut hat, wisse ihn zu nehmen. „Sie teilt ihm die Aufgaben auf, geht mit ihm Stück für Stück vor, bestärkt ihn. Und sie erkennt, wenn er vor einer Überforderung oder kurz vorm Ausrasten steht.“ Luisa V. sagt, ihr Sohn wisse, dass er seine Vertrauensperson vermutlich verlieren werde. „Seitdem fällt er in alte Verhaltensmuster zurück: Frustration, Arbeitsverweigerung, verbale Ausfälle, Rückzug.“
Für sie ist die Pool-Lösung „ein Experiment“. Luisa V. sagt: „Die Schulbegleitung hat lange gebraucht, einen Draht zu Jan zu finden. Jetzt funktioniert gerade alles gut. Wir wollen die Frau behalten, wenigstens bis zum ESA.“
Vanessa J. hat zwei Söhne, beide mit Autismus-Spektrum-Störung sowie ADHS. Der jüngere, Tim, zwölf Jahre alt, hat seit 2019 eine feste Schulbegleitung. Auch Vanessa J. sagt wie Angelika N. und Luisa V.: „Unsere Söhne sind auf eine kontinuierliche, qualifizierte Schulbegleitung angewiesen, um am Schulalltag teilnehmen zu können.“
Sie betont: „Inklusion darf nicht zur Sparmaßnahme verkommen. Sie bedeutet mehr als das gemeinsame Sitzen in einem Klassenzimmer. Sie erfordert individuelle Betreuung und Unterstützung, geschulte Begleiter und den Mut, hinzusehen – nicht wegzudrücken, was nicht in den Plan passt.“ Das hat sie inzwischen auch in einem Brief an die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, geschrieben – mit der dringenden Bitte, ihrem Sohn, aber auch anderen Kindern zu helfen.
Vanessa J. führt darin auch auf: „Leider erleben wir seit einiger Zeit große Enttäuschungen im Umgang mit den zuständigen Stellen. Vom Kreis Ostholstein erhalten wir keinerlei Unterstützung, wir werden hingehalten. Unsere Anträge auf Weiterbewilligung der Schulbegleitung warten seit nunmehr gut fünf Monaten darauf, beschieden zu werden. Wir bekommen Info-Schreiben oder Eingangsbestätigungen, doch ein verbindlicher Bescheid bleibt aus.“
Die drei Frauen haben sich bereits an den Verein zur Förderung der Teilhabe in Ostholstein gewandt. Sie haben Landtagsabgeordnete und das Bildungsministerium kontaktiert und sich gemeinsam einen Anwalt genommen. Ob es ihnen gelingen wird, für ihre Kinder Einzelfallentscheidungen zu erreichen, ist fraglich.
Bereits 2020 hat der Kreis das Pooling als Modellprojekt gestartet. Sprecherin Annika Sommerfeld nennt als Ziele: „Die bestehenden Ressourcen im System zu bündeln und somit die vorhandenen Bedarfe mit entsprechender Qualität decken zu können.“ Der Kreis erwartet durch die Umsetzung verlässliche Strukturen, um Personalengpässe und -fluktuation auffangen zu können. Es gehe nicht um eine Kostenersparnis, betont sie. Es sei geplant, so Sommerfeld, das Pooling schrittweise auf neue Schulstandorte zu übertragen. Bis 2027 soll es kreisweit umgesetzt sein. Einzelfallbewilligungen seien dann nicht mehr vorgesehen.