Lost Place im Wald: Die Geister-Schienen von Bad Schwartau
Früher nutzte die Bahn fünf Gleise in der Stadt – Auch Weiche und Bahnsteig sind noch zu sehen.

Im Wald von Bad Schwartau zeigen sich alte Bahngleise, Weichen und sogar ein Bahnsteig.Fotos: Maike Wegner
Bad Schwartau. Wer in Bad Schwartau auf die Bahn wartet und seinen Blick vom Gleis 2 streifen lässt, dürfte nicht schlecht staunen. Hinter dem Bahnsteig liegt der Wald – und mittendrin gleich mehrere alte Bahngleise, die mittlerweile unter grünem Dickicht nur noch in Teilen zu sehen sind. Der Hamburger Hans-Harald Kloth weiß, was es damit auf sich hat. Kaum einer kennt die Eisenbahngeschichte des Landes so gut wie der einstige Ahrensböker. „Früher war der Bad Schwartauer Bahnhof größer“, erzählt er. „Es gab die Gleise 3 und 4 sowie ein fünftes, das als Umlaufgleis diente.“ Über diese Gleise führte einst die Bäderbahn, die noch heute bis Neustadt die Ostseeorte verbindet .

Kurz nach der Jahrtausendwende wurden diese Gleise stillgelegt, berichtet eine Sprecherin der Bahn. Der schlichte Grund: Sie wurden nicht mehr benötigt. „Immer weniger Güterverkehr lief über die Strecke, die Gleise wurden einfach gekappt“, berichtet Hans-Harald Kloth.

Da der Rückbau hohe Kosten verursacht hätte, entschied sich die Deutsche Bahn damals dafür, die Gleise auf dem eigenen Grundstück liegenzulassen. Doch das wird sich bald ändern: „Mit dem Bau der Schienenanbindung für die Feste Fehmarnbeltquerung müssen die Gleise zurückgebaut werden“, sagt die Sprecherin.

Die bestehenden Gleise sollen tiefergelegt und ein drittes, etwa 600 Meter langes Gleis geplant werden, das auch mit einer Bahnsteigkante ausgestattet wird.

Ob es so kommt, wird sich erst zeigen. Denn die Stadt Bad Schwartau wehrt sich gegen die Pläne der Bahn. Dort wünscht man sich einen tieferen Trog oder eine alternative Route – beides lehnt die Bahn ab. Erst Mitte Juli hatte eine Initiative per Petition 3400 Unterschriften gegen die Bahnpläne gesammelt und einen Protestmarsch durch die Stadt organisiert.

Kommt es aber so, wie die Bahn will, rauschen laut einer Verkehrsprognose künftig 314 Fahrten pro Tag durch Bad Schwartau, davon 63 in der Nacht. Aktuell sind es um die 40 Züge, Bad Schwartau ist Haltepunkt auf der Bäderbahnstrecke sowie der Verbindung zwischen Lübeck und Kiel.

Genau genommen ist der Begriff Bahnhof in Bad Schwartau übrigens nicht mehr richtig. „Ein Bahnhof zeichnet sich dadurch aus, dass er Weichen hat, und das ist seit der Kappung der Gleise nicht mehr der Fall“, erklärt Kloth. Bad Schwartau ist also genau genommen nur noch ein Haltepunkt. Auch anderswo sind alte Bahngleise zu finden. „In Oldesloe oder Ahrensburg zum Beispiel wurden die Gleise ebenfalls gekappt“, erzählt der Experte. „Aber hier sind die Schienen gut sichtbar auf dem Gelände der Bahn erhalten und kein Lost Place.“

Alte Bahnschienen sind
Lebensraum für Tiere

Auswirkungen haben die Überbleibsel auch auf die Natur. Auf der einen Seite stellen sie Barrieren für bestimmte Tierarten dar und können Lebensräume zerschneiden. Andererseits dienen sie aber als Lebensraum für einige Tiere. Eidechsen beispielsweise nutzen die Gleise gern, um sich im Sommer darauf zu sonnen. Mäuse, Schlangen oder Insekten finden derweil dort Schutz.

In Bad Schwartau hat sich die Natur die Flächen der alten Bahnschienen längst zurückerobert. Bäume sind zwischen den Schienen hindurchgewachsen und Sträucher bedecken die Gleise in weiten Teilen. Doch wer den Wanderweg mit aufmerksamem Blick entlang geht, entdeckt die Relikte der alten Zeiten trotzdem noch immer. MWE
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