In einem Schreiben an die Landesregierung fordert Lübeck einen Stresstest. Es bestehe die Gefahr, dass der überregionale Zugverkehr den Personennahverkehr beeinträchtigen werde. Zudem fürchtet die Hansestadt um ihre Pläne, eine Regio-S-Bahn aufzubauen.
Diese kritische Stellungnahme von Bürgerschaft und Stadtverwaltung stammt aus dem April 2013. Der Stresstest der Bahn liegt lange vor, nur Politik und Verwaltung bekamen ihn nicht zu sehen. Auf Drängen der Hansestadt ordnete das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) an, dass der Stadt Einblick zu gewähren sei und eine aktualisierte Fassung erstellt werden müsse. Diese liegt nun vor.
„Das ist eine Unverfrorenheit, was die Bahn uns zumutet“, kritisiert Bernhard Simon, Finanz- und Wirtschaftspolitiker der Lübecker CDU, „wir werden verschaukelt.“ Als peinlich bezeichnet SPD-Fraktionschef Peter Petereit, „dass die Bahn den Stresstest jetzt erst öffentlich macht“. Ein großes Kompliment macht der Hauptausschuss der Bürgerschaft dem Verkehrswendebeauftragten Michael Stödter, der die Folgen des Bahn-Stresstests für Lübeck analysiert hat.
„Zugunsten der rechtzeitigen Fertigstellung eines wichtigen Transitkorridors wird in Kauf genommen, dass der Schienenknoten Lübeck im Hinblick auf die verkehrlichen Anforderungen nicht hinreichend dimensioniert bleibt“, schreibt Stödter in seiner Stellungnahme.
Bausenatorin Joanna Hagen (parteilos) äußerte sich im Hauptausschuss der Bürgerschaft zuversichtlich, dass die Bahn ihre Untersuchung zum Hauptbahnhof überarbeiten müsse. Das Eisenbahn-Bundesamt erkenne, dass die Argumente der Bahn, warum der Lübecker Hauptbahnhof die zusätzlichen Verkehre aufnehmen könne, nicht tragen würden, sagte Hagen.
Die Hansestadt fordert bei der Planung der Hinterlandanbindung mehr Gründlichkeit statt Schnelligkeit. Die Bahn soll einen erneuten Stresstest auf Basis bekannter Verkehrsprognosen vornehmen, beschloss die Bürgerschaft einstimmig. Das Bahnnetz rund um Lübeck soll ertüchtigt werden. Beispielsweise durch den drei- bis viergleisigen Ausbau zwischen Lübeck und Bad Schwartau.
Die Landesregierung geht ebenfalls davon aus, dass es in Lübeck zu Engpässen kommen wird. Dem Land sei bewusst, dass nach Fertigstellung der Fehmarnbeltquerung im Knoten Lübeck nicht mehr alle „Verkehre des Deutschland-Takts gefahren werden können, die sich Lübeck wünscht“, sagt Harald Haase aus dem Kieler Verkehrsministerium.
Man habe aber mit der Deutschen Bahn vereinbart, die Option zusätzlicher Gleise zwischen Lübeck und Bad Schwartau beziehungsweise dem Abzweig Schwartau-Waldhalle näher zu prüfen. Die Gleise 3 und 4 sollten dort nach Fertigstellung der Beltquerung „realisiert werden“, heiße es in der Vereinbarung mit der DB infraGO.
Nur dann sei auch eine zusätzliche Regionalbahn aus Richtung Eutin nach Lübeck „fahrbar“. Die Bahn-Studie gehe zudem davon aus, dass zwischen Eutin und Pönitz und südlich von Lübeck in Richtung Ratzeburg zweigleisige Begegnungsabschnitte erforderlich seien.
Derzeit prüfe man den Stresstest und werde gegebenenfalls mit der Bahn „über mögliche Optimierungen sprechen“, sagt der Ministeriumssprecher. Dem Land sei in jedem Fall aber auch an einer termingerechten Fertigstellung der Schienenanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung gelegen.