„Jedes Schulsportturnier ist bei der Anmeldung besser organisiert“, wettert der CDU-Politiker Carsten Grohmann. Rund 100 Wahlberechtigte seien an diesem heißen Nachmittag im Rathaus erschienen, berichtet Grohmann. „Aber es gab nur eine Registrierungskraft, sodass sich lange Schlangen bildeten.“ Erst nach Protesten habe die Verwaltung eine zweite Kraft organisiert. „Das hat eine Stunde gedauert“, kritisiert Grohmann.
„Viele Menschen standen in langen Schlangen, teilweise über eine halbe Stunde, bevor sie den Stimmzettel hatten“, bestätigt Heiner Popken, Sozialpolitiker der Grünen. Er war als Behinderter wahlberechtigt und vor Ort. „Eine Briefwahl war nicht möglich.“
Die Vorstellung der Kandierenden dauerte zwei Stunden. „Anschließend mussten sie erneut in einer langen Schlange vor den Wahlurnen warten, um ihre Stimme abzugeben“, berichtet Popken. Es habe nur zwei Wahlkabinen gegeben, sagt der CDU-Politiker Grohmann. „Vielen Wahlberechtigten war das zu anstrengend, sie sind ohne Stimmenabgabe nach Hause gegangen.“ Die Grünen sprechen „von einer unwürdigen Farce und unangemessenen Umständen der Wahl, die es vielen Interessierten unmöglich gemacht hat, an der Wahl teilzunehmen“. Die Fraktion fordert eine grundlegende Überarbeitung der Wahlordnung.
Denn die Wahlversammlung im Rathaus habe viele Behinderte von der Stimmenabgabe ausgeschlossen, bemängelt der Grünen-Sozialpolitiker Helmut Müller-Lornsen. „Viele Menschen konnten das Rathaus gar nicht aufsuchen, weil sie entweder von der Wahl gar nicht erfahren haben oder sie am Montagnachmittag keine Zeit hatten.“
Insbesondere Menschen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten oder in einer besonderen Wohnform leben, seien faktisch ausgeschlossen gewesen. Müller-Lornsen: „Das Wahlverfahren ist nicht barrierefrei und schließt große Teile der wahlberechtigten Menschen aus. Das muss verändert werden, um echte Teilhabe zu schaffen.“Sozialsenatorin Pia Steinrücke (SPD) räumte die Probleme im Sozialausschuss der Bürgerschaft ein. „Wir werden das Thema Briefwahl voranbringen“, erklärte Steinrücke, die Wahlversammlung schaffe zu hohe Hürden für die Wahlberechtigten. „Wir müssen auch die Menschen in den Einrichtungen besser erreichen.“
„Das Wahlverfahren muss verbessert werden“, erklärte auch Stadtpräsident Henning Schumann (CDU), der die Konstituierung des neuen Beirats am Mittwoch leitete. Er werde die jüngste Wahl aufarbeiten lassen. Für die Verwaltung sei es aber auch schwierig, alle rund 26.000 Behinderten in Lübeck zu erreichen. „Wir können keine Wahlscheine verschicken, weil wir nicht wissen, welche Menschen behindert sind“, sagte der Stadtpräsident.
Der neue Beirat ist paritätisch mit sechs Frauen und sechs Männern besetzt. Gewählt wurden Marion Bigus, Eveline Hojenski, Diana Kloock, Heike Mattes, Mandy Schellbach und Michelle Stadie sowie Christian Brandt, Roman Klenge, Bennet Koslowski, Andreas Offenborn, Christian Rettberg und Tobias Rösch.
Zum Vorsitzenden wurde erneut Christian Rettberg gewählt. Er setzte sich in einer Kampfabstimmung gegen Christian Brandt durch. Brandt und Heike Mattes sind Rettbergs Stellvertreter.