30 000 Lkw-Fahrten durchs Wohngebiet
Baustellenverkehr für mindestens zwei Jahre – Stadtteil vom Rest Bad Schwartaus getrennt – Bad Schwartauer kritisieren Bahn-Pläne

Verstehen die Welt nicht mehr: Dagmar Labahn, Claudia Mathwig, Ole und Eike Francksen wollen verhindern, dass der Baustellenverkehr in Bad Schwartau durch ihr Wohngebiet fährt.Foto: Manuel Büchner
Bad Schwartau. Gepflegte Vorgärten, viel Grün. Auf den schmalen Straßen sind nur selten Autos unterwegs. Es ist so ruhig, dass nur das Rauschen der Bäume im Wind auffällt. Im Stadtteil Kaltenhof in Bad Schwartau wird deutlich, was es bedeutet, wenn von hoher Lebensqualität gesprochen wird. Doch das könnte sich im kommenden Jahr ändern. Die Deutsche Bahn will ihren Baustellenverkehr für die neue Schienentrasse in Bad Schwartau durch das Wohngebiet fahren lassen.

„Was hier geplant ist, ergibt für uns keinen Sinn“, sagt Anwohner Eike Francksen. Im Kern geht es um mehr als 310.000 Tonnen Material für Erd- und Betonbau, die per Lkw angeliefert werden. Das ergibt mehr als 30.000 Fahrten durch das Wohngebiet. Die Zahlen stammen von der Deutschen Bahn, vorgestellt auf einer öffentlichen Veranstaltung.

„Zwei Jahre Bauzeit sind geplant – falls es nicht länger dauert. So lange sind wir mittendrin“, sagt Francksen. Er ist Teil einer neuen Bürgerinitiative, die sich gegen das Vorgehen der Bahn stemmt. Dazu gehören auch die Anwohnerinnen Claudia Mathwig und Dagmar Labahn. „Kinder wohnen hier, spielen auch auf der Straße oder gehen zur Schule. Für sie wird es gefährlich“, sagt Mathwig mit angespannter Stimme.

„Unsere Straßen sind zu eng und generell nicht für derartigen Verkehr ausgelegt“, erzählt Labahn. Klar ist: Keine der Straßen erreicht eine Breite von fünf Meter. In Kreuzungsbereichen wird es beim Abbiegen sogar für entgegenkommende Pkw eng.

Wer nördlich und südlich der Kaltenhöfer Straße unterwegs ist, wohnt dort auch. Es gebe keinen Durchgangsverkehr und entsprechend seien die Autos auch unterwegs, erzählt Mathwig und fügt hinzu: „Wir haben Angst, dass die Lkw keine Rücksicht nehmen und zu schnell fahren.“

Die drei geben zu bedenken, dass die mehr als 30.000 Lkw-Fahrten nicht das gesamte baubedingte Verkehrsaufkommen umfassen werden. Hinzu kommen die Fahrten der Bauarbeiter, der Baustellenverkehr für den Straßenneubau zwischen Nikolaistraße und Elisabethstraße sowie die neue Personenunterführung am Bahnhof und den Bau der neuen Brücke, die die Kaltenhöfer über die Geibelstraße mit dem Zentrum Bad Schwartaus verbindet.

Bis dahin kappt die Bahn alle direkten Verbindungen in die Innenstadt. „Wir leben während der Bauzeit in echter Isolation. Ärzte, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten werden wir dann wohl nur über die Autobahn erreichen“, erzählt Francksen. „Wie kommen die Rettungsdienste rechtzeitig in unseren Stadtteil?“, fragt Labahn.

Der Grund: Die Bahn steht unter Zeitdruck wegen der voraussichtlichen Fertigstellung des Fehmarnbelttunnels Ende 2029. Bis dahin soll auch die Schienentrasse Lübeck-Fehmarn fertig sein. Deshalb baut das Verkehrsunternehmen ab der zweiten Jahreshälfte 2026 an der gesamten Schienentrasse bis nach Fehmarn zeitgleich. Das hat auch in Bad Schwartau Konsequenzen: Der Bahnübergang Elisabethstraße fällt weg, der an der Kaltenhöfer Straße ist für den Brückenbau gesperrt. Geschlossen sind auch die Fußgängerquerungen am Bahnhof und an der Schwartau.

Auch die nächstgelegene Sereetzer Straße wird wegen Brückenneubau gesperrt. Sperrungen sind auch für die Brücken über die Eisenbahnstrecken Eutiner Straße (Hinterlandanbindung) und Riesebusch (Strecke nach Kiel) geplant. Eingekesselt von Autobahn, Schienentrasse und der Schwartau, bleibt für den Stadtteil mit seinen 2500 Einwohnern nur eine Anbindung über die auf zwölf Tonnen beschränkte Brücke im Osten mit Anschluss an die A1.

Doch es gibt noch ein weiteres Problem. Die beiden Frauen stehen mit Francksen und seinem Sohn Ole (7) am westlichen Ende der Wilhelmstraße und blicken auf das Wäldchen Kuhbruch. Hier entsteht eine knapp vier Hektar große Fläche für die Baustellenlogistik – und hier haben die Lkw auch ihren Zielpunkt. „Die teils bis zu 200 Jahre alten Bäume werden dafür abgeholzt“, sagt Mathwig. „Auch der Abtransport des Holzes wird durch unser Wohngebiet erfolgen“, betont Labahn.

Die Fläche werde zwar nur während der Bauzeit benutzt, erzählt Mathwig. Aber: „Es wird Jahrzehnte dauern, bis hier wieder ein Wald entstanden ist“, sagt Labahn.Elf Hektar Stadtwald fallen der Hinterlandanbindung in Bad Schwartau zum Opfer.Sieben Hektar werden später wieder aufgeforstet. Vier Hektar fallen dauerhaft weg für die Schieneninfrastruktur.Komme alles so, wie es von der Bahn geplant sei, steht für Francksen fest: „Wir sind die Verlierer der Hinterlandanbindung.“ Doch aufgeben wollen die Kaltenhöfer nicht. Angefangen mit kaum einem Dutzend Personen, sind es mittlerweile rund 100 Bürger, die mit Sorge um ihr Wohngebiet aktiv werden wollen. „Wir hoffen, dass noch viel mehr mitmachen“, sagt Mathwig. Jeden Mittwoch, um 18 Uhr, trifft sich die Gruppe zum Austausch auf dem Waldspielplatz. Weitere Infos auf www.bi-kaltenhof.de . BUE
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