Ziel ist es aber, dass der nützliche Laborhelfer mal zum Standard-Küchen-Equipment gehört. Wie Kaffeemaschine, Wasserkocher und Toaster. Für Prof. Horst Hellbrück von der Technischen Hochschule (TH) Lübeck ist er eine „Elektronische Nase“, die „erschnüffelt“, ob das Stück Lachs und das Schweinehack im Kühlschrank noch auf den Speiseteller dürfen.
„Im ersten Schritt haben wir für diesen Frische-Sensor jedoch insbesondere Lebensmittel-Großabnehmer im Blick, wie zum Beispiel Erasco oder Großmetzgereien“, sagt der TH-Wissenschafler vom Kompetenzzentrum „CoSA“ auf dem Campus.
Mit dem erwünschten Effekt, dass zukünftig viele Ressourcen gespart werden könnten. Schließlich fehlt momentan noch die schnelle technische Lösung, die genau bestimmen und vorhersagen kann, wie lange Fleisch und Fisch eigentlich haltbar sind.
Denn aktuell gibt es nur zwei Arten der Frische-Prüfung: Zum einen kontrolliert geschultes Personal mit der Nase die Haltbarkeit, und zum anderen gibt es teure und zeitaufwendige mikrobiologische Analysen, deren Ergebnis erst nach Tagen vorliegt.
„Derzeit ist man dazu angehalten, das Fleisch nach einer gewissen Zeit zu entsorgen. Bei Fisch sind es zwei Tage, obwohl der Fisch eigentlich noch bis zu neun Tage verzehrt werden könnte“, bemerkt Hellbrücks Kollege, Sebastian Hauschild.
Dazu noch ein weiteres konkretes Beispiel: Für Schweineteilstücke, die bei fünf Grad Celsius gelagert werden, wird eine Haltbarkeit von acht Tagen angegeben – plus beziehungsweise minus drei Tage.
Das alles führt dazu, dass allein in der deutsch-dänischen Grenzregion pro Jahr circa 48.000 Tonnen an Abfall von Fleisch und Fisch entstehen. „Wir haben im Projekt das Ziel, 25.000 Tonnen davon zukünftig vor dem Wegwerfen zu retten“, sagt Hellbrück.
Der Bezug zum Nachbarland wird hier von dem Lübecker TH-Verantwortlichen ins Spiel gebracht, da ein 20-köpfiges Team aus sechs verschiedenen Institutionen an diesem grenzüberschreitenden EU-Forschungsvorhaben beteiligt ist.Und das Mads Clausen Institut der Süddänischen Universität (SDU) in Sonderborg hat das ganze Projekt quasi ins Rollen gebracht. Insbesondere die Nanotechnologie-Expertin Prof. Roana de Oliveira Hansen.
Denn sie beschäftigt sich schon länger mit der Entwicklung von sogenannten Cantilever-Sensoren. Diese spüren die wichtigste chemische Verbindung beim Verwesungsprozess, das Cadaverin, auf. Es entsteht bei der Zersetzung von Eiweiß und verursacht den typischen, fauligen Geruch.
Und resultierend aus der Forschungsarbeit der dänischen Juniorprofessorin ist eine Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT) in Itzehoe entstanden, das den wegweisenden, sogenannten Cantilever-Sensor gebaut hat.
Doch wie spürt dieser Sensor das vor sich hin gammelnde Fleisch oder den übel riechenden Fisch auf? „Wir setzen den Handsensor auf das Produkt auf. Über einen Lüfter wird das Cadaverin in den Sensor gesaugt. Eine Elektronik bringt ihn dann zum Schwingen, ähnlich wie bei einem Sprungbrett in der Schwimmhalle“, erläutert TH-Wissenschaftler Hauschild.
„Und je nachdem, wie viele Cadaverin-Verbindungen am Sensor haften bleiben, verändert sich die Schwingfrequenz. Der Sensor zählt sozusagen die Masse an Cadaverin. Mit den gewonnenen Daten wird dann die Vorhersage für die Haltbarkeit gemacht“, resümiert er.
Ab dem ersten Tag der Schlachtung entsteht dieser Stoff. Der Mensch kann ihn zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wahrnehmen. „Den Job soll in Zukunft die elektronische Nase übernehmen“, fasst der Professor zusammen.
Die dänischen Uni-Kolleginnen und Kollegen seien durch die „KI-Nase“ auf die CoSA-Forschung in Lübeck aufmerksam geworden. „Ihr kennt euch doch mit Sensoren aus, und mit dem Erkennen von Geruch habt ihr doch Erfahrung“, erinnert sich Hellbrück noch an die Anfrage aus Sonderborg.
„Im Projekt haben wir nun einen Messaufbau im Labor gefertigt, an dem wir die verschiedenen Fleischsorten mit dem Frischesensor testen und die Verfallsdaten mithilfe von sogenannten stochastischen Analysen voraussagen. Dabei beachten wir auch Umgebungsparameter wie Temperatur und Feuchtigkeit“, erklärt Sebastian Hauschild.
Das dänische Start-up namens AmiNIC hat inzwischen auch Prototypen des Sensors gebaut. Natürlich müsse man einmal Lehren aus dem Markt mit größeren Unternehmen ziehen. „Aber auf lange Sicht könnte es sehr interessant sein, zu prüfen, wie wir dieses Produkt für Haushalte verfügbar machen können“, sagt Jens Nielsen von AmiNIC.