Belttunnel-Trasse: Bad Schwartau drohen massive Beeinträchtigungen Kein Ort ist so stark betroffen – Die LN beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Lärmschutz und Umweltschäden
Ein Zug fährt durch Bad Schwartau in Richtung Südosten. Ein Teil des Stadtwaldes linker Hand müsste für eine neue Straßenanbindung weichen. Die Stadt geht von 4500 Bäumen aus, die gefällt werden müssten.Foto: Timon RugeBad Schwartau. Gefahren für die Gesundheit, jahrelange Streckensperrung, gerodeter Stadtwald, zerstörtes Stadtbild: Die geplante Schienentrasse zum Fehmarnbelttunnel macht der Stadt Bad Schwartau schwer zu schaffen. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten. Was plant die Bahn für Bad Schwartau? Der 2,6 Kilometer lange Abschnitt beginnt an der A1-Unterführung und endet im Nordosten an der Schwartauer Straße. Die Bahn will die Strecke durch die Stadt ausbauen. Unter anderem sind drei neue Brücken, eine Fußgängerunterführung, eine zwei Kilometer lange Absenkung der Trasse (Trog) um punktuell 3,20 Meter zum Schutz vor Erschütterungen und insgesamt 4,50 Kilometer Lärmschutzwände vorgesehen. Warum ist die Stadt besonders betroffen? Während Orte wie Lensahn, Oldenburg und Großenbrode auf neu gebauten Streckenabschnitten umfahren werden, soll der Schienenverkehr an Wohngebieten vorbei auch zukünftig durch die größte Stadt in Ostholstein rollen. 60 Prozent der an Gleisen lebenden Ostholsteiner haben ihr Zuhause in Bad Schwartau. Täglich 314 Fahrten (davon 63 nachts) sollen es laut Verkehrsprognose 2030 sein. Erstmals seit 1997 werden mit der Belttunnel-Eröffnung wieder Güterzüge durch Ostholstein fahren. Einige sind bis zu 835 Meter lang. Tempo in der Ortsdurchfahrt: bis zu 120 km/h. Lärm und Erschütterungen: Warum drohen Bad Schwartauern gesundheitliche Probleme? Durch Schallschutzmaßnahmen an den Schienen und hohe Schutzwände können die Grenzwerte für Lärm (Primärschall) eingehalten werden. Doch nicht für Erschütterungen durch Güterzüge. Über das Erdreich gelangen sie in die Gebäude entlang der Trasse und lösen dort Schwingungen der Decken und Wände aus. Hierdurch entstehen Vibrationen und nochmals Lärm (Sekundärschall).
Laut Gutachten der Bahn werden bei etwa 200 Wohnhäusern in Bad Schwartau nachts die zulässigen Grenzwerte überschritten. Für mehr als 100 Wohngebäude werden sogar die Grenzwerte für Industriegebiete überschritten, wodurch mindestens 380 Personen gesundheitlich betroffen wären. Technisch lässt sich das Problem nicht lösen.
Warum ist die Verkehrsprognose 2040 für Bad Schwartau ein Problem? Die neue Prognose des Bundesverkehrsministeriums geht von einer Zunahme des Schienengüterverkehrs aus. Das Aufkommen steigt von weniger als 9,5 Millionen Tonnen im Jahr 2021 auf voraussichtlich 17,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Bahn hält zunächst an den veralteten Zahlen der Prognose 2030 fest, weil noch keine Zugzahlen für die Strecke vorliegen. Bad Schwartau pocht auf Berücksichtigung der neuen Prognose, die laut Rechtsgutachten Teil der Planung sein muss. Die Bahn ignoriert die neue Verkehrsprognose – welche Folgen hätte das für Bad Schwartau? Kurz gesagt: mehr Güterverkehr in den Nachtstunden. Statt der bisher 70 Güterzüge pro Tag, wären es laut Experten bis zu 120. Die zusätzlichen Fahrten durch das Stadtgebiet müssten nachts abgewickelt werden, weil tagsüber die Strecke zu stark ausgelastet ist. Heißt: bis zu 80 Güterzüge zwischen 22 und 6 Uhr. Warum fordert Bad Schwartau den Bau eines dritten Gleises? Das Bundesschienenwege-Ausbaugesetz fordert ein drittes Gleis zwischen Lübeck-Hauptbahnhof und Abzweig Waldhalle. Auch im Regionalplan des Landes ist es festgeschrieben. Ein drittes Gleis bringt in der Nacht Entlastung für Bad Schwartaus Bürger. Mehr Güterzüge rollen dann tagsüber, weil sie parallel zum Nah- und Fernverkehr fahren können. Aktuell ist das dritte Gleis nicht Teil der Planung für die Belttunnel-Schienentrasse. Welche Alternative favorisiert die Stadt zum Schutz ihrer Einwohner? Die Umfahrung des Stadtgebietes für den Güterverkehr: Bekannt als X-Trasse würde die Strecke östlich über Lübecker (Dänischburg) und Ratekauer (Sielbektal) Gebiet verlaufen.Bad Schwartau fordert von der Bahn eine „ergebnisoffene, fehlerfreie Prüfung der Umfahrung”, sagt Bernhard Schmidt, Bahn-Experte im städtischen Bauamt. Dagegen spricht: Die Bahn hat sich in ihren Planungen bereits auf die Variante durch den Ort festgelegt. Die Stadt hat mit eigenen Gutachten und Berechnungen nachgewiesen, dass auf der Alternativroute deutlich weniger Menschen durch Lärm und Erschütterungen belastet werden. Was spricht außerdem für die Umfahrung Bad Schwartaus?An der Trasse werden nicht nur weniger Menschen belastet. Bereits für den Bau des kleinen 3,20-Meter-Trogs müsste die Bahnstrecke Lübeck–Kiel mindestens 18 Monate gesperrt werden. Mit sogar zwei Jahren Vollsperrung rechnet die Stadt für die Ertüchtigung des Bahndamms im Kurpark für den Güterverkehr. Hinzukommt laut Bauamt: Die X-Trasse ist zwar drei Kilometer länger, aber nach einer groben Schätzung der Stadt mit 216 Millionen Euro nicht einmal halb so teuer wie der Ausbau der Bestandsstrecke.
Führt die neue Trasse durch die Stadt, plant die Bahn an der Elisabethstraße keine Querung der Trasse für den Straßenverkehr. Vorgesehen ist stattdessen, Bewohner und Gewerbebetriebe der stadtabgewandten Seite über eine neue Straße durch den Stadtwald und ein Wohngebiet zur Querung Kaltenhöfer Straße zu führen, um sie an die Innenstadt anzubinden.
Für die neue Straße müssten elf der 30 Hektar Stadtwald gerodet werden. Die Stadt geht von rund 4500 Bäumen aus – darunter Exemplare, die mehr als 200 Jahre alt sind.
Warum befürchtet Bad Schwartau Nachteile durch die Planung des Lübeck-Abschnitts? Die Planung des Lübeck-Abschnitts ist dem Schwartauer Abschnitts zeitlich voraus. Sie soll noch 2025 genehmigt werden. Heißt: Es könnten Tatsachen geschaffen werden – zu Ungunsten der Stadt. Beispiel Teerhofinsel: Der jetzige Bahnübergang fällt weg. Die Planung der Bahn sieht eine Ersatzstraße von der Warthestraße aus am Klärwerk vorbei vor. Nur dort wäre Platz für ein drittes Gleis. Weiteres Beispiel: Die Absenkung der Trasse für einen Sieben-Meter-Trog, wie ihn die Stadt statt der 3,20-Meter-Variante fordert, müsste bereits im Lübecker Abschnitt beginnen. Sie findet in der Planung für die Hansestadt aber keine Erwähnung. Wann will die Bahn ihre Pläne für den Schwartau-Abschnitt öffentlich machen? Die Planung soll Anfang August zur Prüfung beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) eingereicht werden. Die öffentliche Auslegung der Unterlagen ist für Ende August angepeilt. Klagt die Stadt gegen die Planung? Das ist noch unklar. Politiker und Verwaltung sehen es als letzten Ausweg, bereitet sich aber vorsorglich auf diesen Fall vor. „Wir werden zuerst nach politischen Lösungen suchen“, sagt Bad Schwartaus Bürgermeisterin Katrin Engeln (Grüne). Entscheidend ist die Begründung der genehmigten Planung (Planfeststellungsbeschluss) durch das Eisenbahn-Bundesamt. Die Entscheidung trifft die Stadtverordnetenversammlung. Welche Möglichkeiten haben Bewohner an der Trasse, sich gegen die Planung zu wehren? Jede Person, die eine Einwendung zu den Plänen abgegeben hat, ist mit Genehmigung der Planung zur Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht befugt. Sammelklagen sind nicht möglich. BUE