Dass die Menschen in den Dorfschaften alles andere als begeistert sind, kann die Bürgermeisterin nachvollziehen. „Sie hier in Pohnsdorf sind wirklich gekniffen“, sagt die Verwaltungschefin gleich zu Beginn bei der Zusammenkunft mit rund 50 Interessierten in der Diele auf dem Hof von Tim Techau.
Pohnsdorf ist „gekniffen“, weil die Dorfschaft von der Energiewende so stark betroffen ist wie kaum ein anderer Ort: mit neuen 380-kV-Masten, einem 14 Hektar großen Umspannwerk, und neben ohnehin schon drei geplanten Windkraftanlagen sollen nun noch auf Initiative der Gemeinde zwei weitere Windräder errichtet werden. Möglicherweise kommen dann auch noch große Batteriespeicheranlagen dazu.
Ungeachtet der negativen Stimmung werben Samtleben und Ohm für die zusätzlichen Windkraftanlagen. „Wir ergreifen lieber die Flucht nach vorne, nehmen die Planung selbst in die Hand, damit die Gemeinde und alle Menschen, die hier wohnen, von den Windkraftanlagen am Ende zumindest finanziell durch eine Bürgerbeteiligung partizipieren“, erklärt Ohm.
Bürgermeisterin Samtleben gibt zudem zu bedenken, dass neben zusätzlichen Steuereinnahmen durch die eigene Planung am Ende zwischen Curau, Dissau und Pohnsdorf vielleicht „nur“ fünf statt möglicherweise sieben Windkrafträder entstehen könnten. Im Bereich Krumbeck, Arfrade und Obernwohlde wären laut Gemeinde vier weitere Anlagen denkbar.
Fast 30 Minuten lang erläutert der Bauamtsleiter die Hintergründe für die einstimmige Entscheidung der Gemeindevertretung, von der sogenannten Gemeindeöffnungsklausel Gebrauch zu machen. Die Gemeindeöffnungsklausel erlaubt es vorübergehend ausschließlich Kommunen, Windenergie-Flächen auszuweisen. So dürfen Kommunen zeitlich begrenzt bis Ende 2027 auch außerhalb der vom Land vorgegebenen Vorranggebiete Windkraftanlagen planen. Mit den weniger strengen Regeln und Auflagen soll die Leistung durch Windenergie im Land deutlich erhöht werden.
Die Argumente von Samtleben und Ohm finden nur vereinzelt Gehör. Gemeindevertreter Peter Hinzmann (FDP) springt der Verwaltung zur Seite. „Wir als Gemeindevertretung haben die Entscheidung getroffen. Und wir haben dafür einstimmig votiert, weil es nicht um die Frage geht, ob neue Windkraftanlagen entstehen, sondern wann. Selbstverständlich haben bei der Entscheidung auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle gespielt“, berichtet Hinzmann.
„Verstehe ich das richtig: Wenn Stockelsdorf selbst plant, kommt die Gemeinde mit einem blauen Auge davon, statt am Ende durch weitreichendere Pläne des Landes ganz verprügelt zu werden“, fasst ein Zuhörer die dargestellte Situation zusammen.
Visualisierungen von Windkraftanlagen im Ortsbild von Pohnsdorf stimmen die Gäste allerdings weniger positiv. Zuhörer Claus-Olaf Zehle sieht sich bestätigt. Der Mitinitiator der Initiative „Horizont – gegen weitere Windräder auf dem Gebiet der Gemeinde Stockelsdorf“: „Wir wollen, dass Windkraftanlagen die Menschen, die Landschaft und die Umwelt nicht belasten.“
Zehle hält das voreilige Handeln der Gemeinde für kontraproduktiv. „Die Planungen der Gemeinde bergen die Gefahr, dass über die Vorgaben des Landes hinaus zu Lasten der Bürger noch zusätzliche Windkraftanlagen in Stockelsdorf gebaut werden“, sagt der Curauer, der mit seiner Initiative nun ein Bürgerbegehren anstrebt. „Wir wollen, dass alle Stockelsdorfer darüber entscheiden.“ Mit der Sammlung von Unterschriften hat die Initiative bereits begonnen. Für ein Bürgerbegehren werden bis Anfang Mai 2100 Unterschriften benötigt.Aus Sicht von Bauamtsleiter Jan-Christian Ohm mache das angestrebte Bürgerbegehren allerdings wenig Sinn. „So ein Begehren wird nicht eine einzige Windkraftanlage in Stockelsdorf verhindern können. Da ist die Gesetzeslage eindeutig. Ein erfolgreiches Bürgerbegehren kann allenfalls dafür sorgen, dass der Zeitpunkt der Aufstellung sich um ein, zwei Jahre verschiebt.“
Tim Techau, stellvertretender Dorfvorsteher in Pohnsdorf, bezeichnet das Vorgehen der Initiative aber als einen „durchaus redlichen Versuch“. Seine Dorfschaft werde aber nicht nur durch die Energiewende über Gebühr belastet. „Auch die verkehrliche Belastung nimmt immer stärker zu und wird sich durch geplante Neubauprojekte in Bad Schwartau weiter verschärfen. Das Thema Umgehungsstraße muss die Gemeinde nun wieder intensiver vorantreiben“, fordert Techau.