Es gibt nur ein Problem: Die Bahn plant ohne. „Wir brauchen es für den Deutschlandtakt, das Bundesschienenwege-Ausbaugesetz fordert es, Lübeck, das Land und wir wollen es“, sagt Engeln und schüttelt enttäuscht den Kopf.
Stattdessen wird wohl ohne Rücksicht auf ein zukünftiges Extragleis geplant und gebaut. Der Grund: Der Bahn rennt die Zeit davon, denn der Tunnel soll Ende 2029 eröffnen und auf deutscher Seite muss dann alles fertig sein. Dafür wird aufseiten des Bundesverkehrsministeriums, dem Auftraggeber der Bahn, sogar eine weitere Großbaustelle zum späteren Zeitpunkt in Kauf genommen – inklusive zahlreicher, kostspieliger Rückbauten.
Beispiel: die neue Anbindung der Teerhofinsel. Der Bahnübergang soll wegfallen. Stattdessen plant die Bahn eine Ersatzstraße von der Warthestraße aus am Klärwerk vorbei. „Damit wäre der Platz für das dritte Gleis weg. Wir haben deshalb gefordert, dass die Bahn prüft, welche Alternativen es zur Erschließung der Teerhofinsel gibt“, betont Engeln.
Gefordert hat die Verwaltungschefin das zuletzt beim Erörterungstermin mit den Einwendern gegen den Planungsabschnitt Lübeck, zu denen auch Bad Schwartau gehört. Der Termin sei ernüchternd verlaufen, erzählt Engeln. „Die Deutsche Bahn konnte zur Problematik keine Stellung nehmen, weil es die Betrachtung eines dritten Gleises gar nicht gibt.“Zum Hintergrund: Die Stadt fordert ein weiteres Gleis bis zum Abzweig Waldhalle nach Travemünde, damit Parallelfahrten möglich sind. Langsamere Güterzüge müssten in geringerer Zahl in die Nacht ausweichen, weil sie vom Personenverkehr überholt werden.
Wird die neue Strecke ohne Entlastungsgleis eröffnet, hätte das für Ostholsteins größte Stadt gravierende Folgen.Weit mehr als 300 Zugfahrten finden dann sowieso pro Tag durch das Stadtgebiet statt. „Der Großteil des Güterverkehrs müsste wegen der fehlenden Überholmöglichkeiten nachts fahren“, erklärt Engeln.Kommt es dazu, wären mit Blick auf die aktuelle Verkehrsprognose laut Stadt nachts bis zu 80 Güterzüge unterwegs. Hunderte Menschen an der Trasse wären in ihren Wohnhäusern einer gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt, wenn zwischen 22 und 6 Uhr alle sechs Minuten ein Güterzug an ihren Häusern vorbeirollt.
Auftraggeber fürs Gleis ist das Land. Das will sogar zwei weitere Gleise ab Lübeck Hauptbahnhof bis zum Abzweig Waldhalle, sagt Harald Haase, Sprecher im Wirtschaftsministerium.
Dennoch verfolgt Kiel erst mal eine Minimallösung. Man sei in Gesprächen mit der Bahn, dass die weiteren Gleise doch noch möglichst weitgehend in der Planung für die Hinterlandanbindung Berücksichtigung finden, damit die Kosten für Rückbaumaßnahmen so gering wie möglich gehalten werden, erklärt der Sprecher.
Die Lübeck-Planung, die Ende des Jahres abgeschlossen sein soll, spricht eine andere Sprache – auch darin ist ein drittes Gleis an keiner Stelle erwähnt. „Das dritte Gleis muss jetzt beauftragt und umgesetzt werden“, fordert Engeln. Ihr Blick schweift zum beschaulichen Radweg an der Bahntrasse, der mit allem drum und dran auf einer Strecke von 700 Metern zum fast zehn Meter breiten Verkehrsweg ausgebaut werden soll.
Für das dritte Gleis müsste später alles wieder abgerissen werden. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn“, sagt Bürgermeisterin Engeln und fügt hinzu: „Was ist mit den meterhohen Lärmschutzwänden? Die lassen sich doch nicht wie ein Billy-Regal abbauen oder verschieben.“