Ganz vorsichtig knabbert und bröselt sich die große Schere am Longfront-Bagger durch den Beton. Stück für Stück wird der 30 Meter hohe Turm kleiner gemacht. „Wir brechen hier erschütterungsfrei ab“, sagt der Dissauer Abbruchunternehmer Alexander Schwartz.
Für den Abbruch des Silos musste sich Schwartz Verstärkung holen: einen Longfront-Bagger von der Firma Thirs aus Melbeck in der Lüneburger Heide. Der Bagger verfügt nicht nur über eine kräftige Schere, sondern auch über einen 36 Meter langen Ausleger. Das rund 100 Tonnen schwere Gerät wurde über Nacht mit zwei Tiefladern zum Einsatzort Dissau gebracht.
Mit dem Siloturm verschwindet ein Erkennungszeichen für die Dorfschaft, denn in der Großgemeinde Stockelsdorf und Umland steht kein weiterer Silo. Mit dem Abbruch geht zudem ein Stück Dorfgeschichte zu Ende.
Der Getreidesilo wurde 1962 in zwei Tagen hochgezogen und gehörte zum Hof von Willi Kiencke. Den Hof nebst Gebäuden verkaufte Kiencke 1974 an die Firma Dissauer Landhandel GmbH und nur drei Jahre später an die Firma Walter B. Andresen GmbH & Co.KG in Pansdorf, die 1992 ihren Betrieb einstellte. Das Betriebsgrundstück in Dissau wurde an die Landwirtschaftliche Ein- und Verkauf eG in Oldenburg verpachtet. Seit rund 15 Jahren wird der Silo gar nicht mehr genutzt.
Sobald der Longfront-Bagger seine Arbeit erledigt hatte, übernahm das Team Schwartz die Restarbeiten. „Die rund 1000 Tonnen Beton werden vor Ort gebrochen und gebröselt. Das Material wird weiter verkauft und größtenteils in Baustraßen verbaut“, berichtet Firmen-Chef Alexander Schwartz. „Der Turm wurde damals in zwei Tagen errichtet und nun verschwindet er in zwei Tagen.“
Auf dem rund 5500 Quadratmeter großen Grundstück hat der neue Eigentümer Kevin Breuer (34) bereits ein kleines Lagerhaus abreißen lassen. Das zweite große Lagerhaus wird derzeit noch leergeräumt, soll aber auch vorerst erhalten bleiben.
Breuer, der mit seiner Familie in Bad Schwartau zu Hause ist, will das Grundstück und die Halle vorerst als Unterstell- und Abstellmöglichkeit für Wohnmobile nutzen. „Um die 100 Fahrzeuge dürften hier Platz finden“, berichtet Breuer, der langfristig an der Stelle auch eine Wohnbebauung umsetzen möchte. „Das ist aber noch nicht aktuell, weil es sich hier um eine Gewerbefläche handelt“, erklärt Breuer.
Ebenfalls noch nicht aktuell sind zwei weitere Abbruchprojekte, die in Dissau vermutlich im Laufe dieses Jahres anstehen. Auf der Liste steht unter anderem der Dissauer Hof, in dem schon lange kein Bier mehr gezapft und Feste gefeiert werden.
Mit der Gaststätte, die auch Fremdenzimmer im Angebot hatte, verbinden viele Dissauer mit ganz besonderen Ereignissen. „Da wurden unter anderem ganz viele Hochzeiten gefeiert – das wird für viele ein emotionaler Abschied werden“, sagt Alexander Schwartz. Außerdem steht der Abbruch der alten Hofstelle Kamerichs/Stammer auf dem Plan. Unternehmer Schwartz: „Die Dorfschaft und die Strukturen in Dissau verändern sich.“