Besonders betroffen von den Plänen sind Malkendorf, Dissau, Obernwohlde, Arfrade und Krumbeck. „Wir sind entsetzt“, sagt Carsten Draudt (54) aus Krumbeck. Der Bauingenieur, der grundsätzlich ein Befürworter erneuerbarer Energien ist, protestiert gegen die Pläne, die sein Heimatdorf über Gebühr belasteten. „Wir wohnen im Grünen und müssen schon jetzt zum Spazierengehen mit dem Auto fahren“, beschreibt Draudt die Situation.
Das sei 1995, als seine Schwiegereltern das Anwesen in Krumbeck kauften, noch ganz anders gewesen. Mittlerweile gibt es die A20 in unmittelbarer Nähe, einen Windpark und bald noch eine 380-kV-Trasse. Dass nun weitere Windkraftanlagen in der Nähe errichtet werden sollen, wollen die Menschen in Krumbeck nicht einfach so hinnehmen. Dorfvorsteher Andreas Haase: „Wir sind eigentlich ein gutmütiges Dorf. Doch jetzt ist es vorbei mit der Gutmütigkeit. Die Empörung ist groß. In Krumbeck lehnen praktisch alle die Pläne ab.“
Unklar ist die Gemengelage in Dissau. Dorfvorsteher Jörg Meyer: „Aktiver Widerstand hat sich bei uns noch nicht formiert. Im Rahmen einer Dorfschaftsversammlung wollen wir uns aber ein Stimmungsbild machen.“
Schleswig-Holstein hat die Vorschriften für Windenergie gelockert – und so die Stockelsdorfer Pläne erst ermöglicht. Die Gemeindeöffnungsklausel erlaubt es, vorübergehend ausschließlich Kommunen Windenergie-Flächen auszuweisen. So dürfen Kommunen zeitlich begrenzt bis Ende 2027 auch außerhalb der vom Land vorgegebenen Vorranggebiete Windkraftanlagen planen.
Mit den weniger strengen Regeln und Auflagen soll die Leistung durch Windenergie im Landdeutlich erhöht werden. Die gewonnene Leistung durch Windenergie an Land soll in Schleswig-Holstein bis 2030 auf 15 Gigawatt erhöht werden. Derzeit liegt die produzierte Leistung bei rund neun Gigawatt. Bauamtsleiter Jan Christian Ohm: „Stockelsdorf hat sich entschieden, nicht untätig auf die Ergebnisse der Regionalplanung zu warten.“ Ein Kurs, den Bürgermeisterin Julia Samtleben (SPD) voll und ganz unterstützt: „Es besteht die Hoffnung, dass das Land dann keine zusätzlichen Windflächen ausweisen wird, wenn die Gemeinde über die Gemeindeöffnungsklausel bereits eigene neue Flächen generiert hat.“Aus Sicht von Carsten Draudt sticht dieses Argument gar nicht. „Ob die Landesregierung oder die Gemeinde Investoren auffordert, Windkraftanlagen aufzubauen, macht am Ende doch für uns keinen Unterschied“, sagt Draudt. Drei von fünf Potenzialflächen will die Gemeinde nun untersuchen und prüfen lassen. So kommt ein Gebiet bei Krumbeck, Arfrade und Obernwohlde wieder ins Spiel. Eine Fläche, die schon einmal im Gespräch war, aber aus rechtlichen Gründen nicht weiter verfolgt werden konnte. Nun wurde das gesetzliche Umzingelungsverbot allerdings aufgehoben, und die bestehenden Belastungen durch den Windpark Obernwohlde, Autobahn 20 und der 380-kV-Trasse sind kein Hinderungsgrund mehr.
Eine weitere Potenzialfläche wird bei Dissau gesehen. Die dortige Eignungsfläche könnte noch erweitert werden, sodass dort drei oder sogar fünf bis acht Windkraftanlagen denkbar wären. „Die Einschränkungen für die Anwohner müssen im Rahmen bleiben. Wir planen, virtuelle Sichtachsenmodelle erstellen zu lassen“, kündigt Bürgermeisterin Samtleben an. Als dritte Fläche ist ein Gebiet bei Malkendorf vorgesehen. Dort soll ohnehin ein Windpark entstehen, der aber Erweiterungspotenzial auf Stockelsdorfer, Scharbeutzer und Ratekauer Gemeindegebiet hat.
Um wie viele Windkraftanlagen es sich insgesamt handeln könnte, ist unklar. „Wir stehen ganz am Anfang der Planungen“, sagt Bauamtsleiter Ohm. Vorgesehen ist aber, die Windenergieanlagen mit Investoren über eine Beteiligung der Gemeindewerke und eine Bürgerbeteiligung zu realisieren. Zur Umsetzung wird aber die Unterstützung von Projektentwicklern benötigt.
Das Engagement soll sich für die Gemeinde in barer Münze auszahlen. Stockelsdorf erhofft sich durch weitere Windkraftanlagen deutlich höhere Gewerbesteuereinnahmen. Bürgermeisterin Samtleben: „Wie viel das am Ende genau sein wird, lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sagen. Stockelsdorf darf vermutlich mit Mehreinnahmen im deutlich sechs- möglicherweise siebenstelligen Bereich rechnen.“