Für Thomas Andrä, der aktuell mit seiner jüngsten Tochter in dem Haus lebt, war die Eigenbedarfskündigung im vergangenen Herbst ein Schock. „Ich war gerade in der Reha, meine Tochter rief mich an und hat bitterlich geweint“, erzählt er. „Wir haben es ja geahnt, aber dann wurde es plötzlich real.“ Seitdem hat er ein Problem, dass er mit vielen teilt. Er braucht eine neue, bezahlbare Bleibe. „Und das ist kaum machbar“, sagt er.
„Zehn Besichtigungen hatte ich schon, aber es war nichts dabei“, erzählt er. Der Ostholsteiner macht sein Problem öffentlich, um auf den generellen Missstand auf dem Wohnungsmarkt, vor allem aber die persönlichen Folgen hinzuweisen. „Denn ich bin ganz sicher nicht alleine damit“, sagt er.
Andrä erzählt von einer Bekannten. Sie konnte ihre Miete nicht mehr stemmen, ist daraufhin in einen Wohnwagen auf einem Campingplatz gezogen. Neun Monate lebt sie dort, drei Monate im Winter bei ihrer Tochter. Auch Thomas Andrä plagen finanzielle Sorgen. „Am Ende habe ich Angst, dass ich obdachlos oder irgendwo eingepfercht werde“, sagt er.
Der 62-Jährige ist Frührentner und arbeitet als Minijobber am Herrentunnel. „Ich war teilweise mit drei Kindern alleinerziehend. Wir haben nie viel Geld gehabt, aber ich habe mich immer selbst finanziert“, sagt er. „Auch die Miete ist immer pünktlich geflossen.“ Das Haus in Sereetz ist das Zuhause der Familie. Thomas Andrä hat eine vergleichsweise geringe Miete von am Ende 650 Euro gezahlt, dafür aber alles selbst um- und eingebaut. „Die Küche habe ich erst vor drei Jahren gekauft“, erzählt er. „Die habe ich gerade erst abbezahlt.“
Am liebsten würde er in Sereetz bleiben. Dort hat er sich im Sportverein und im Kirchenvorstand engagiert, ist aktuell politisch aktiv. „Aber ich sehe keine Möglichkeit mehr, dass das klappt“, sagt er traurig. „Den Umkreis meiner Suche habe ich längst ausgeweitet. Aber ländlich würde ich schon gerne leben.“ Seine Grenze liegt bei 800 Euro Miete warm. Mit im Gepäck hat er außerdem „Fips“ und „Bailey“, seine beiden Mischlingshunde. „Das macht die Suche nicht einfacher, aber sie gehören dazu“, sagt er.
Weil die Situation psychisch derart belastet, hat der 62-Jährige sich mittlerweile therapeutische Hilfe gesucht. „Ich fühl’ mich so alleine mit meiner Situation“, sagt er. Deswegen will er sich weitere Hilfe holen. „Beim Mieterbund will ich mich in jedem Fall noch melden“, sagt er. Dann schweift sein Blick durch das Wohnzimmer. „Der Umzug ist ja auch so eine Sache“, murmelt Thomas Andrä. „Ich habe gar keine Vorstellung, wie viel das kostet. Vermutlich muss ich dann sogar einen Kredit aufnehmen.“
Aufgrund einer chronischen Erkrankung kann er selbst nicht schwer tragen. „Kisten packen geht natürlich, aber für alles andere brauche ich Hilfe.“ Hinzu kommt, dass er jetzt deutlich mehr Platz für seine Sachen hat, denn das 100 Quadratmeter große Haus hat sechs Zimmer. „Da werde ich vor einem Umzug vieles weggeben müssen“, sagt der 62-Jährige. Wie belastend eine solche Situation für Menschen wie Thomas Andrä ist, weiß Eileen Munro genau. Sie ist Vorsitzende des Mieterbundes Lübeck und berät Betroffene in solchen Situationen. Ihre Erfahrung zeigt: „Die Fälle von Eigenbedarfskündigungen sind in den letzten Jahren enorm angestiegen“, sagt sie. „Die Lage auf dem Markt ist extrem brisant.“
Wer eine solche Kündigung erhalte, suche oft jahrelang nach einer Ersatzwohnung. „Mit Tieren wird es noch schwieriger“, berichtet Munro. Nicht selten laufe das Ganze auf eine Räumungsklage und ein langes Gerichtsverfahren hinaus. „Für die Betroffenen eine sehr belastende Situation“, sagt die Vorsitzende. Auch der Umkreis der Suche habe sich extrem erweitert. „Was schwierig ist, weil viele ja eine Bindung zu ihrem Heimatort haben.“
Wer Unterstützung braucht, kann sich an den Mieterbund wenden. Munro rät aber auch, die jeweiligen Städte und Gemeinden um Hilfe zu bitten, um beispielsweise Informationen über Zuschüsse zur Miete zu erlangen. Doch selbst wenn alle Hebel in Bewegung gesetzt werden. „Das kann den Mangel an bezahlbarem Wohnraum am Markt nicht wettmachen“, sagt sie.