Verena Bosslet und ihr Mann haben am Sonntagmorgen nach ihren Tieren, sechs trächtigen Schafen, geschaut. Die Weide ist rund zwei Kilometer vom Hof entfernt, „ruhig und friedlich im Schwartautal gelegen“, sagt Bosslet. Aber in diese Idylle scheint in den Stunden zuvor ein Wolf eingebrochen zu sein.
Zwei Schafe sind verletzt. „‚Alma‘ ist in die Schwartau gestürzt und fast ertrunken. Sie hat sich in Stacheldraht verheddert. Ein Baum hat verhindert, dass sie ganz untergeht“, schildert Bosslet. Als die LN-Redakteurin und ihr Mann das Tier aus dem Wasser holen, erkennen sie, dass ‚Alma‘ eine Bisswunde und einen Riss am Kopf hat.
Dem zweiten verstörten Schaf, „Ruby“, fehlt nach Bosslets Angaben die halbe Lippe. „Sie war blutüberströmt im Gesicht. Im Unterkiefer ist ein Loch. Man sieht, wo der Reißzahn war“, sagt sie. Das Paar rief Jens Matzen, Schleswig-Holsteins Koordinator der Wolfsbetreuer und Rissgutachter an, der ihnen umgehend einen Gutachter schickte.„Er hat Proben an den Wunden der Schafe genommen. Wenn ausreichend Speichel dran war, kann man feststellen, ob es ein Wolf war“, berichtet Bosslet. Zehn bis 14 Tage dauert die Untersuchung der Proben, bis Gewissheit herrscht.
Den Schafen gehe es inzwischen wieder gut, sagt sie. „Sie fressen und haben sich wieder beruhigt.“ Verena Bosslet und ihr Mann haben die verletzten Tiere zunächst selbst behandelt. Der Tierarzt hat den Schafen dann noch ein Antibiotikum gegen Entzündungen verabreicht. „Im Oktober sind die Schafe gedeckt worden. Sie sind tragend und jetzt im dritten Monat. Wir hoffen, dass sie die Lämmer behalten“, sagt Bosslet.
Zur Sicherheit sind die sechs Tiere jetzt auf einer Weide untergebracht, die dichter am Hof liegt. Vom Wolfsmanagement Schleswig-Holstein bekommen Verena Bosslet und ihr Mann in den nächsten Tagen kostenfrei einen Herdenschutzzaun, mit dem sie einen Hektar Land einzäunen können. „Wenn bewiesen ist, dass es sich um einen Wolf handelt, können wir beim Land auch die Tierarztkosten geltend machen“, sagt Bosslet.
Dass auf dem Hof in Sarkwitz tatsächlich ein Wolf die Schafe attackiert hat, liegt nahe. Zwischen Ostholstein und Segeberg pendelt ein Wolf – der nur auf drei Beinen läuft. Das Tier stammt aus einem Rudel im Segeberger Forst und ist beim Landesamt für Umwelt bekannt.
„Wir haben das Video am Wochenende aus etlichen Kanälen zugespielt bekommen. Es hat uns nicht gewundert, dass bei uns ein Wolf unterwegs ist – angesichts der Nähe zu Segeberg. Das fällt in seinen normalen Radius“, sagt Martin Rollmann, Pressebeauftragter der Kreisjägerschaft Eutin. Er berichtet, dass jetzt alle Jäger „doppelt und dreifach hingucken“.
Kreisjägermeister Hans-Heinrich Jaacks sagt: „Wir müssen jetzt nicht in Hysterie verfallen, aber die Augen aufhalten. Schafhalter sind gefordert, ihre Einzäunungen zu kontrollieren. Viehhalter sollten auf Kälber in Offenställen achten.“ Jaacks hat den Wolf im Video als „wohlgenährt und gut beieinander“ wahrgenommen. So schätzt ihn auch das Landesamt ein.
Friedrich Wulf aus Pansdorf (früher Vorsitzender des Hegerings Ahrensbök) berichtet, er habe am Wochenende beim Spaziergang am Friedrichsberg zwischen Pansdorf und Schulendorf im Unterholz „ein schnelles Tier vorbeihuschen sehen. Es könnte ein Wolf gewesen sein. Denn komisch war: Mein Hund hatte Angst.“