Weihnachten anders hören Sie können „White Christmas“ von Bing Crosby oder „Last Christmas“ von Wham nicht mehr hören? Kein Problem! Es gibt jede Menge wirklich gute musikalische Alternativen in der Vorweihnachtszeit und zu den Festtagen. Hier sind ein paar Tipps.
■ „It’s December“ von Audrey Hannah (1999)
Wir schreiben das Jahr 1999 und damit die Hochphase des Plastikpop. In diesem Jahr versuchen auch deutsche Musikmanager ein Stück vom Kuchen abzubekommen und schicken zahlreiche Popsternchen ins Rennen, mit dem Plan, eine „deutsche Britney Spears“ auf dem Musikmarkt zu etablieren. Eine Künstlerin, der dieses Etikett damals angeheftet wird, ist die deutsch-kanadische Radiomoderatorin Audrey Hannah.
1999 steigt ihr Song „It’s December“ bis auf Platz 27 der Single-Charts. Der ganz große Erfolg des Stücks bleibt aber aus. Das ist fast ein bisschen erstaunlich, denn „It’s December“ ist ziemlich gut gealtert. Im Song sind – untermalt von Glöckchengebimmel – feinste 2-Step-Sounds zu hören, die auch heute noch oft in moderner Pop- und Dancemusik verwendet werden. Obwohl der Song bereits 25 Jahre auf dem Buckel hat, steht er manch einer modernen Produktion in nichts nach – und Audrey Hannah war ihrer Zeit in gewisser Weise voraus. und Matthias Schwarzer■ „Merry Christmas, Mr. Lawrence“ von Ryuichi Sakamoto (1983)
1983 erscheint ein Antikriegsfilm mit dem Namen „Furyo“ („Kriegsgefangener“) in den japanischen Kinos – und wird anschließend zum weltweiten Erfolg. Er erzählt die Geschichte des britischen Majors Celliers, der in ein japanisches Kriegsgefangenenlager verlegt wird. Celliers wird gespielt von Popstar David Bowie. Passend zum Film erscheint ein Soundtrack, der insbesondere den Titelsong „Merry Christmas, Mr. Lawrence“ des japanischen Komponisten Ryuichi Sakamoto enthält. Das Originalstück ist ein ruhiger Achtzigerjahre-Synthwave-Hit.
Kultstatus haben aber mittlerweile vor allem die Piano-Interpretationen des 2023 verstorbenen Sakamoto. Wer es nicht ganz so besinnlich mag, für den gibt es längst auch zahlreiche Dance-Remixe wie die Neunzigerjahre-Version von DJ Quicksilver oder die Deephouse-Variante der italienischen Produzenten Nightbirds. In den USA und Japan ist das Instrumentalstück zum festen Bestandteil der Vorweihnachtszeit geworden – in Deutschland ist es hingegen kaum zu hören. Zeit, dass sich das ändert.und Matthiasund Schwarzer■ „Alle Jahre wieder“ von Kummer (2019)Wer kennt sie nicht, diese immer gleichen Sätze am Esstisch? „Früher lag immer schon Schnee um die Zeit“ oder „Steck mal das Handy weg“. Wenn zum Fest der Liebe die Familie zusammenkommt, treffen automatisch mehrere Generationen aufeinander. Ungleiche Ansichten führen dann nicht selten zu Konflikten, die die besinnliche Stimmung trüben können. In seiner bissigen Generationenkritik bringt es Kummer (bürgerlich Felix Kummer, auch bekannt als Sänger der Rap-Rock-Band Kraftklub) auf den Punkt. Der eher untypische Weihnachtssong vermittelt ein Gefühl, welches der jüngeren meinungsstarken Generation bekannt vorkommen könnte. und Nils Weinert■ „Weihnachtslied 2023″ von 01099 (2023)Deutschrap muss nicht immer düster und kritisch sein: Jedes Jahr aufs Neue veröffentlicht die Dresdner Gruppe 01099 einen Weihnachtssong, der vor allem die junge Generation abholen soll. Spätestens seit ihren Hits „Frisch“ und „Durstlöscher“ sollten Gustav, Paul und Zachi aber auch über die junge Generation hinaus an Bekanntheit gewonnen haben. Angepasst an den musikalischen Zeitgeist trifft 01099 mit ihrem „Weihnachtslied 2023“ die perfekte Mischung aus besinnlich-weihnachtlichen Klängen, Autotune und den bandtypischen Elektrobeats. und Nils Weinert■ „Ne Prise Zimt“ von Pe Werner (2013)Heutzutage bestimmen vor allem englischsprachige Songs die Charts der Weihnachtslieder. Dabei gibt es sehr schöne deutschsprachige Songs, die einen in Weihnachtsstimmung versetzen. „Ne Prise Zimt“ von Pe Werner nimmt einen mit auf die Reise in die Heimat zu Weihnachten. Thematisch erinnert das Lied an den Klassiker „Driving Home for Christmas“ von Chris Rea, musikalisch hingegen weist es noch mal andere Facetten auf. Das Lied spiegelt die Atmosphäre von Weihnachten wider, der man sich einfach nicht entziehen kann. und Aylin Öz■ „Christmas Calling“ von Norah Jones (2021)Kerzen, eine kuschelige Decke und Norah Jones. Mit „Christmas Calling“ verzaubert die Sängerin mit der sanften Stimme jedes Wohnzimmer in eine gemütliche Weihnachtsoase. Perfekt für einen träumerischen Abend mit heißer Schokolade und leckeren Spekulatius. und Aylin Öz■ „Run Rudolph Run“ von Bryan Adams (1987)Eigentlich wählt man bei Chuck-Berry-Songs immer das Original aus den Fünfzigerjahren. Die Coverversion von „Run Rudolph Run“ des Kanadiers mit der Kratzestimme von 1987 hat allerdings um einiges mehr Energie. Derart von Bryan Adams aufgeladen, kann man im Wald seinen Weihnachtsbaum ausreißen. und Matthias Halbig■ „Ding Dong, Ding Dong“ von George Harrison (1974)Eigentlich ein Neujahrssong („Läute das Alte aus, läute das Neue ein“), der aber ob des Westminsterschlags der Big-Ben-Glocken total weihnachtlich klingt. Dass der Ex-Beatle darin auch seine Ehekrise besingt, merkt niemand. Dass es auch um seine alte Band geht, darauf immerhin deutet das Video hin. Und den Refrain kann wirklich jeder mitsingen. Süßer die Glocken selten klangen. und Matthias Halbig■ „Ho! Ho! Ho! (Who’d Be a Turkey at Christmas)“ von Elton John (1973)Weihnachten 1973, nach einem Jahr voller Bescherungen. Elton John hat in den zurückliegenden Monaten zwei Nummer-eins-Alben rausgebracht („Don’t Shoot Me I’m Only the Piano Player“, „Goodbye Yellow Brick Road“), nun serviert er zum Fest die Single „Step Into Christmas“. Die B-Seite ist aber fast noch schmackhafter. Klassischer Elton-John-Klamauk zum besinnungslos-besinnlichen Mitschwanken: „Sittin’ here on Christmas Eve with a brandy in my hand / Oh, I’ve had a few too many and it’s gettin’ hard to stand“. und Marco Nehmer■ „A Merry Jingle“ von The Greedies (1979)Wenn selbst bizarrste Wünsche wahr werden, dann ist Weihnachten. Phil Lynott, Scott Gorham, Brian Downey, Steve Jones und Paul Cook kommen 1979 zusammen, um unter dem Namen The Greedies eine ungeschliffene Punk-Rock-Nummer unter den Christbaum zu legen. Hinter den Musikern verbirgt sich fast die gesamte Thin-Lizzy-Belegschaft, angereichert mit dem halben Sex-Pistols-Kader. „A Merry Jingle“ ist dabei, rein inhaltlich, eigentlich nichts Besonderes. Aber die Verpackung schimmert so herrlich schrill. und Marco Nehmer