Stockelsdorf trifft es hart: Leitungen
für 380 kV zerschneiden die Gemeinde
Neues Umspannwerk wird Kreuzung für drei Stromtrassen – Für Gewerbe vorgesehene Flächen dadurch unbrauchbar.

Das freie Feld gegenüber der Zufahrt zum Gewerbegebiet Stockelsdorf-West hat die Gemeinde Stockelsdorf eigentlich als Erweiterungsfläche für Gewerbe vorgesehen. Doch das Areal wird nun durch den Bau einer 380-kV-Leitung zerschnitten.Foto: Sebastian Prey
Stockelsdorf. Auf der Großbaustelle entlang der L184 unweit der Dorfschaft Pohnsdorf wird auf Hochtouren gearbeitet. Bagger, Lastwagen und Kräne sind ständig in Bewegung. Auf dem rund 20 Fußballfelder großen Areal (circa 14 Hektar) in der Gemeinde Stockelsdorf errichtet Tennet ein neues Umspannwerk. Ende 2025 soll die Anlage in Betrieb gehen.Der Neubau des Umspannwerks namens Lübeck-West ist für die Gemeinde Stockelsdorf eine echte Belastung. Und das nicht nur aus optischen Gründen. Das Umspannwerk ist nämlich eine Art Kreuzung für drei neue 380-kV-Stromtrassen: Neben zwei Leitungsabschnitten der Ostküstenleitung, die von Göhl über Stockelsdorf nach Henstedt-Ulzburg führt, erfolgt dort auch die Anbindung an die Elbe-Lübeck-Leitung. „Wir haben durchaus Verständnis für die Notwendigkeit, aber die Gemeinde Stockelsdorf wird in ihren Entwicklungsmöglichkeiten massiv beschnitten“, sagt Stockelsdorfs Bauamtsleiter Jan-Christian Ohm.

Insbesondere der geplante Abschnitt der Elbe-Lübeck-Leitung, die von dem neuen Umspannwerk in Stockelsdorf durchs westliche Lübeck und den Kreis Herzogtum Lauenburg bis ins 80 Kilometer entfernte Krümmel bei Geesthacht führt, trifft die Gemeinde hart. Die von der Tennet geplante Trasse führt direkt über eine rund acht Hektar große Fläche am K13-Kreisel Richtung Eckhorst, die die Gemeinde vor einigen Jahren erst angekauft hat, um dort weitere Gewerbeansiedlungen zu ermöglichen. Der nun favorisierte Trassenverlauf macht diese Pläne zunichte. Ohm: „Die gesamte Fläche ist quasi für jegliche Bebauung gestorben.“

Auf diese Folgen hat die Gemeinde unlängst in ihrer Stellungnahme im Planfeststellungsverfahren für den Trassen-Neubau hingewiesen und einen alternativen Trassenverlauf vorgeschlagen. Dass die Einwände der Gemeinde Erfolg haben, ist allerdings unwahrscheinlich. Grund: Laut Energiewirtschaftsgesetz genießt grundsätzlich die kürzeste und wirtschaftlichste Trasse absolute Priorität. Die Kosten für die von Stockelsdorf favorisierte Trasse würden laut Tennet bei rund 56 Millionen Euro liegen, die kürzere Trasse hingegen bei nur rund 43 Millionen Euro.

Ein weiterer Aspekt bei der Abwägung der Trasse spielt die Vorbelastung des Areals. Und die spielt Stockelsdorf ebenfalls nicht in die Karten, denn auf der Fläche, die derzeit noch landwirtschaftlich genutzt wird, gibt es bereits zwei 110-kV-Leitungen. Eine der Leitungen soll künftig auf die 380-kV-Trasse mit draufgesattelt werden. Die zweite Leitung wird bleiben und von der neuen Leitung überspannt werden. Durch die Nähe der Leitungsverläufe und der vorgeschriebenen Freihaltezonen von rund 50 Metern an den Masten sind mögliche Bauvorhaben an dieser Stelle somit kaum noch umsetzbar. Angesichts dieser Gemengelage sieht Ohm wenig Chancen, dass Stockelsdorf mit seinen Einwänden im Planfeststellungsverfahren Erfolg haben wird. „Es gibt weder bei der Wirtschaftlichkeit, bei der Vorbelastung noch aus ökologischer Sicht Ansatzpunkte, die uns helfen können“, erklärte der Bauamtsleiter bereits bei der jüngsten Gemeindevertretersitzung den Kommunalpolitikern.

Stockelsdorf hofft nun, dass der Vorhabenträger Tennet mit seinen guten Kontakten bei der Findung nach Ersatzflächen unterstützt. „Unser Problem ist, dass wir den Gewerbeflächenbedarf nicht decken können“, sagt Ohm. Zudem darf Stockelsdorf mit Ausgleichszahlungen rechnen. Doch dieser finanzielle Einmaleffekt dürfte relativ schnell verpuffen. Und so bleibt Bürgermeisterin Julia Samtleben (SPD) nur zu hoffen, dass die Energiewende Stockelsdorf am Ende auch etwas Gutes bringt: „Wir sind als Gemeinde besonders stark betroffen. Da sollte zumindest die Gewerbesteuer aus dem Umspannwerk bei uns landen. Ob das tatsächlich der Fall sein wird, ist aber noch unklar.“ SEP
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