Das Lächeln kommt nicht von ungefähr. Es ist auch ein Stück Erleichterung, denn der Betrieb bleibt bestehen. „Selbstbestimmt aufhören zu können, ist ein Privileg“, sagt Cordts und denkt an etliche Kollegen, die nicht das Glück hatten, ohne gesundheitliche oder wirtschaftliche Probleme zeitig aufzuhören.
Kleiner Wermutstropfen: Erstmals in der langen Firmengeschichte wird kein Cordts künftig die Geschäfte führen. Michel Engel (43) übernimmt die Fleischerei in der Markttwiete nebst zwölfköpfiger Belegschaft.
„Es gab mehrere Bewerber“, berichtet Ralf Cordts. „Jemanden zu finden, der auch das Zeug dazu hat, den Laden weiterzuführen, war aber nicht einfach.“ Die Handwerkskammer habe da sehr geholfen. Er wird seinem Nachfolger in der Anfangszeit noch zur Seite stehen. Doch die 60- bis 70-Stunden-Wochen, die Ralf Cordts regelmäßig abgerissen hat, sind endgültig vorbei. „Meine Frau hat über die Jahre viel aushalten müssen“, sagt der 60-Jährige, der in der Regel morgens um 5.45 Uhr seinen Arbeitstag begonnen und gegen 19 Uhr beendet hat. Selbst sonntags zog es Ralf Cordts ins Geschäft, um Maschinen zu kontrollieren und zu reparieren.
Dass Ralf Cordts einen Nachfolger für seine Fleischerei gefunden hat, ist keine Selbstverständlichkeit.„Der wesentlichste Grund liegt in der demografischen Entwicklung: die geburtenstarken Jahrgänge erreichen das Rentenalter, während weniger junge Menschen nachrücken“, sagt Stefan Seestädt, Leiter der Abteilung Betriebsberatung bei der Handwerkskammer. Dadurch gebe es schlichtweg weniger potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger. „Dieser Effekt wird sich nach unserer Einschätzung in den nächsten Jahren noch verstärken.“Die Fleischerei Cordts ist eine der wenigen selbstständigen Fleischereien, die es in Lübeck und Umgebung noch gibt. Billigpreise in Discountern und Fachkräftemangel machen dem Handwerk schon seit Jahren zu schaffen. Zudem fehlt es an Nachwuchs im Handwerk. Auch der Fleischkonsum ist in Deutschland seit Jahrzehnten rückläufig. 2012 lag der Pro-Kopf-Konsum bei durchschnittlich rund 61 Kilogramm pro Jahr, 2023 nur noch bei rund 51 Kilogramm.
So sank laut Handwerkskammer die Zahl der Fleischereibetriebe (inklusive Fleischereiabteilungen in Supermärkten) im Kammerbezirk Lübeck von 381 im Jahr 2010 auf 296 im Jahr 2024. Ein Minus von 22 Prozent. Laut Statistik-Portal Statista ist die Anzahl der eigenständigen Meisterbetriebe im Fleischerhandwerk in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2023 von 18.819 auf 10.171 zurückgegangen.
Das alles schreckt Michel Engel nicht ab. „Keine Frage, die Übernahme ist schon eine große Herausforderung. Das Geschäft ist aber gut aufgestellt“, sagt der 43-Jährige, der mit seinen beiden Kindern (5 und 6 Jahre) und Frau in Lübeck lebt. Sein Handwerk gelernt hat er in einem Betrieb in Nordwestmecklenburg, später in einer Supermarktkette Abteilungen geführt. Zuletzt hat der Fleischermeister im Bereich der Lebensmittelsicherheit gearbeitet.
„Ich habe richtig Lust darauf, frische Ware zu verarbeiten“, sagt Engel, der an dem bewährten Cordts-Konzept mit Fleisch, Wurst und Salaten aus eigener Produktion, Feinkost- und Käsetheke, Partyservice und Imbiss mit Hausmannskost und Gerichten aus dem Wok festhalten wird. „Ich werde die Tradition pflegen, aber das Geschäft auch in die Moderne führen“, kündigt Michel Engel an. Er ist sich zudem bewusst, dass der Laden ein Faktor für eine lebendige Innenstadt ist.Konkrete Pläne für seine persönliche Zukunft hat Ralf Cordts noch nicht geschmiedet. Zunächst hat er sich eine Pause verordnet. Die Hände komplett in den Schoß legen wird der 60-Jährige aber nicht. „Nur mit Gartenarbeit und Rasenmähen werde ich mich nicht begnügen“, sagt Cordts und lächelt.