Seydack und Flemming Witt, ebenfalls ein ehemaliger Schüler des LG, standen am letzten Schultag vor den Ferien für eine Lesung auf der Bühne in ihrer alten Schule. Seydack, der heute als Journalist arbeitet, las aus seinem Buch „Geile Zeit“. Flemming Witt, ein erfolgreicher Slam-Poet, präsentierte Auszüge aus seiner Textsammlung „Daddy Issues“.
Eine ehemalige Lehrerin der beiden, Katharina Frädrich, hatte die Veranstaltung organisiert. „Als ich von den Buchveröffentlichungen erfuhr, habe ich beide Autoren kontaktiert und sie waren sofort begeistert von der Idee“, erzählte Frädrich. Sie hielt nach der Schulzeit von Witt und Seydack einen losen Kontakt zu ihnen aufrecht.
Rund 135 Schülerinnen und Schüler des zehnten und elften Jahrgangs hörten den beiden Autoren zu. Während Flemming Witt Passagen vorlas, in denen er über Vaterschaft reflektierte, ging es in Seydacks Textausschnitten vor allem um seine Kindheit und Jugend in Bad Schwartau und seine Abneigung gegen die Stadt und seine ehemalige Schule.
„Jede Ruhestörung, die Kurgäste oder die Bewohner dieser Stadt meldeten, wurde streng verfolgt. Es gab keine Kompromisse, es gab nur Platzverweise“, heißt es an einer Stelle in „Geile Zeit“, die Niclas Seydack vorlas. Ein Lehrer habe damals zu ihm gesagt: „Aus Ihnen wird sowieso nichts mehr.“ Dieser Satz und andere Kränkungen hätten ihn noch lange nach der Schulzeit beschäftigt, erzählte Seydack. Es koste ihn noch immer Überwindung, an die Schule zurückzukehren. In Bad Schwartau zu sein, löse „sofort Fluchtinstinkte“ in ihm aus. Doch es verschaffe auch eine gewisse Genugtuung, „weil es sich nicht als wahr erwiesen hat, was mein Lehrer gesagt hat“.
Heute schreibt Niclas Seydack als freier Journalist unter anderem für „Die Zeit“, den „Spiegel“ und das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. „Gerade gegenüber den Schülern, die selbst nicht an sich glauben“, sieht sich der 34-Jährige in einer Mentorposition.
Eine schlechte Schulzeit sei noch nicht das Ende: „Wenn ihr euch ein bisschen seltsam fühlt, nicht reinpasst, euch zu klein, zu dick, zu hässlich fühlt, kann ich nur sagen: Eure Zeit kommt noch. Vielleicht müsst ihr es bis zum Abi einfach mal aushalten und danach auch aus Bad Schwartau weg.“
Die Schülerinnen und Schüler hatten Verständnis für Niclas Seydacks Unmut über Bad Schwartau. „Hier gibt es nichts für junge Menschen, zum Beispiel, wenn man feiern gehen will“, sagte die 16-jährige Felicitas. Ihre Freundin Marla, 15 Jahre alt, ergänzte: „Ich verstehe das, aber ich mache nicht so negative Erfahrungen. Ich bin ganz froh hier zu leben, weil so viele meiner Freunde hier wohnen.“
Flemming Witt hat die Schulzeit am LG deutlich positiver in Erinnerung. Der 29-Jährige hat im Jahr 2013, drei Jahre nach Seydack, Abitur gemacht. In der Theater-AG, die Katharina Frädrich damals leitete, sammelte Witt erste Bühnenerfahrungen. Für ein Frühlingsfest ermutigte die Lehrerin ihn zu seinem ersten Poetry-Slam-Text. Später, 2019, wurde Flemming Witt dann Thüringer Landesmeister im Poetry Slam. „Gewissermaßen hast du mich auf die Beine gestellt“, sagte er zu Frädrich.