„Wer soll dann noch hier herkommen, um zu angeln?“, fragt Enrica Danovaro (68). Gemeinsam mit Uwe Peters (61) lebt und arbeitet sie auf dem Gelände in Sereetz unweit der A1. Bis zu 4000 Angler kommen pro Jahr, um in dem 4,2 Hektar großen Gewässer auf Lachsforelle, Regenbogenforelle und Co zu gehen. „Die Angler kommen überwiegend aus der ganzen Umgebung – von Neustadt bis Lübeck. Ab und zu sind auch Touristen da. Derzeit haben wir Gäste aus dem Märkischen Kreis. Die kommen wie schon im letzten Jahr eine Woche lang jeden Tag“, berichtet Uwe Peters.
Dass künftig weiterhin so viele Angelfreunde kommen, wenn in 30 Meter Entfernung zum See ein riesiger Strommast mit Leitungen errichtet wird, glauben die Eigentümer kaum. „Mit diesem Eingriff wird nicht nur die Natur, sondern auch der Betrieb erheblich gestört“, sagt Uwe Peters. Das weiß auch Netzbetreiber Tennet, der dem Besitzer unlängst eine Entschädigung von 60.000 Euro angeboten hat. Peters: „Die Summe ist ein absoluter Witz.“ Die nun neu geplante rund 15 Kilometer lange 380-kV-Trasse von Lübeck-Siems über Sereetz, Ratekau, Bad Schwartau, Groß Parin zum neuen Stockelsdorfer Umspannwerk bei Pohnsdorf gefährdet aber nicht nur einen wirtschaftlichen Betrieb.„Uns wird die Lebensgrundlage genommen“, berichtet Enrica Danovaro. 2021 wollten sie schon aus gesundheitlichen Gründen das 6,7 Hektar große Gelände (4,2 Hektar davon sind See) samt Einfamilienhaus verkaufen und sich von dem Erlös von knapp 700.000 Euro zur Ruhe setzen. „Wir hatten schon einen Käufer und eine Anzahlung. Dann kam Tennet mit den Plänen um die Ecke. Der Käufer sprang sofort ab“, berichtet Enrica Danovaro. Und ob der Tennet-Pläne auf dem Grundstück gibt es bislang keine Chance mehr, alles zu einem adäquaten Preis zu verkaufen.Für Enrica Danovaro steht ohne Wenn und Aber fest, rechtliche Schritte einzuleiten. „Sobald es die Möglichkeit gibt, werden wir mit unseren Mitstreitern von der Bürgerinitiative Achtung-380kV gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage einreichen“, kündigt Enrica Danovaro an. „Die Planungen gegen unseren Willen auf dem Grundstück die Trasse zu bauen, kommen einer Enteignung gleich. Ich bin von Natur aus Optimistin und glaube, dass wir vor Gericht Recht bekommen.“ Auch die Stadt Bad Schwartau lässt prüfen, ob eine Klage möglich ist.
Ratekaus Bürgermeister Thomas Keller (parteilos) ist da weniger optimistisch. „Der Bedarf für die Stromleitungen wurde auf Bundesebene mehrfach bestätigt und ist mit einem überragenden öffentlichen Interesse ausgestattet. Ich gehe insofern nicht davon aus, dass seitens der Gemeinde eine Klage angestrebt wird“, erklärt Keller. Obgleich die Gemeinde im Gegensatz zu Bad Schwartau sogar von zwei Leitungstrassen der 380-kV-Ostküstenleitung, dem 2. und dem 3. Abschnitt, erheblich betroffen ist. Immerhin habe man als Gemeinde in dem langjährigen Planungs- und Beteiligungsprozess einiges erreicht, sodass beide Abschnitte aufeinander abgestimmt und damit über zehn Kilometer Trasse eingespart werden konnten, erläutert der Verwaltungschef. „Weiter werden auf unsere Initiative untergeordnete 110-kV-Leitungen, die heute über Wohngebiete verlaufen, abgebaut.“ Dennoch sei die Betroffenheit durch die entstehende Energie-Infrastruktur sowie durch die Schienenhinterlandanbindung zur festen Fehmarnbeltquerung für Ratekau immens. „Das Gesicht unserer Gemeinde wird sich verändern.“