„Wir konservieren die Bilder, stabilisieren die Farbe und erneuern die Rahmen“, erklärt Müller-Andrae. Mit einem Wattedreher werden die Gemälde vorsichtig abgetupft und gereinigt. Ist die Ölfarbe an einzelnen Stellen rissig geworden oder bröckelt etwas ab, wird die Stelle mit einem besonderen Leim gefestigt. Auch die Rahmen und Haken werden überprüft, denn einige Gemälde seien wegen Materialermüdung schon von der Wand gefallen.
Zugleich werden die Werke inventarisiert, sagt die Restauratorin. „Angefangen haben wir vor zwei Wochen.“ Im Schnitt schaffen sie und ihre beiden Kolleginnen drei Gemälde am Tag, 15 sind schon fertig. Insgesamt sind 59 Gemälde zu restaurieren – von 65, die im Rathaus hängen. Weitere Porträts werden im St.-Annen-Museum, der Stadtbibliothek und dem Haus der Kaufmannschaft aufbewahrt.
Die älteste der Darstellungen eines Stadtoberhaupts, die überholt wird, ist die von Thomas Wickede, der von 1511 bis 1525 Bürgermeister war. Die künstlerisch vielleicht bedeutendste ist die von Gotthard von Hoeveln (1531-1555). Gemalt hat sie Hans Kemmer, der auch „Cranach von Lübeck“ genannt wurde, weil er in der Werkstatt von Lucas Cranach dem Älteren lernte. „Das nehmen wir uns als nächstes vor“, kündigt Müller-Andrae an.
Das jüngste Bild ist eine Fotografie von Bürgermeister Bernd Saxe (2000-2018) im riesigen Gemälde-Format und wuchtigen Rahmen. Es ist die bisher einzige Fotografie – doch sie ist traditionell aufgebaut. Saxe sitzt an einem Tisch, über dem ein Teppich gebreitet ist, darauf stehen ein Globus und ein Papierschiff, Symbol für die Hanse und weltweiten Handel. Ein Rechenschieber soll Saxes Sparpolitik symbolisieren und ein umgestürzter Glaskolben die Rettung der Uni. Das Foto soll ebenfalls restauratorisch überprüft werden.
Jan Lindenau (45), aktueller Bürgermeister der Hansestadt, ist in das Zimmer getreten, um den Restauratorinnen bei der Arbeit zuzusehen. Er selbst sehe sich, anders als Saxe, eher in der langen Reihe von Öl-Porträts, gesteht er auf LN-Nachfrage. „Ich glaube, ich kehre zur alten Tradition zurück.“
Letztlich könne das jeder Bürgermeister selbst entscheiden. Eins seiner Attribute auf dem künftigen Bild werde sicher ein Symbol der Digitalisierung sein. „Es wird aber nicht so überladen wie bei Saxe“, sagt Lindenau.
Auf keinen Fall möchte Lindenau mit dem Symbol einer Zitrone dargestellt sein. Die nämlich stehe für schlechte Geschäfte oder dafür, dass das offizielle Ende der Amtszeit nicht erreicht worden sei. Allerdings sei das Risiko früher höher gewesen. „Der Bürgermeister war auch Oberbefehlshaber der Lübecker Flotte und musste eventuell in eine Seeschlacht ziehen“, sagt Lindenau. „Da konnte es schon sein, dass man nicht heil zurückkam.“Bürgermeister Jürgen Wullenwever (1488-1537) war seinerzeit sogar hingerichtet und gevierteilt worden. Nach seinem Tod entstand ein karikaturhaftes Spottgemälde. „Das Original hängt in St. Annen“, weiß Maire Müller-Andrae. Eine Kopie aus den Dreißiger Jahren, die auf Sperrholz gemalt ist, liegt auf Müller-Andraes Arbeitstisch. Auch dieses Andenken wird gepflegt.
Die Kosten für die konservatorischen Maßnahmen belaufen sich laut Stadt auf 30.000 Euro, hinzu komme die inventarische Erfassung mit 5000 Euro.