Offenbar breitet sich das Virus nach Norden aus. Wo regionale Schwerpunkte seien, könne der Nabu aber nicht sagen, so Rümmler. Vereinzelt höhere Meldezahlen gibt es aus Hoisdorf und Ammersbek im Landkreis Stormarn, wo am 14. August fünf beziehungsweise vier tote Vögel gemeldet wurden. Auch in Bad Schwartau wurden an einem Tag im August fünf tote Vögel auf einmal gefunden, ebenso in Bad Oldesloe, in Kaltenkirchen sogar sieben. Nur die eingesendeten Vögel könnten aber gezählt werden.
Der Nabu geht davon aus, dass diese Zahlen erst der Anfang sind und sie weiter deutlich ansteigen werden. Das Amselsterben könnte sich deshalb erneut verheerend auf den Vogelbestand auswirken. „2018 ist der Amselbestand beispielsweise in Hamburg um etwa 40 Prozent eingebrochen“, sagt Nabu-Vogelschutz-Referent Marco Sommerfeld. „Seitdem hat er sich noch nicht wieder erholt. Bei so einer häufigen Art ist das erschreckend.“ Amseln gehören zu den Vögeln, die es in Deutschland am meisten gibt. Sie werden bei den Vogelzählungen neben Meisen und Spatzen am häufigsten gesichtet. 2018 war auch der Kreis Herzogtum Lauenburg besonders betroffen, wie Nabu-Vogelschützer Achim Borck aus Mölln damals bestätigte.
Dem Nabu sind seit Jahresbeginn bundesweit mehr als doppelt so viele kranke oder tote Vögel gemeldet worden wie im Vergleichszeitraum 2023. So gab es über die Meldeseite des Bundesverbandes nabu.de bundesweit bislang 1536 Hinweise auf 1806 tote und 1060 kranke Amseln und andere Vögel. Amseln sind laut Nabu-Experte Lars Lachmann besonders anfällig für die Krankheit, außerdem Eulen. Nutzgeflügel sei offenbar weniger empfindlich. Bei Menschen verläuft eine Infektion nach bisherigen Erkenntnissen asymptomatisch oder mit nur leichten Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschlägen. Nur selten komme es zu Komplikationen wie Gehirnhautentzündungen.
Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg seziert eingeschickte Vögel. Rund 25 Prozent der in diesem Jahr sezierten und getesteten Vögel seien mit dem Virus infiziert gewesen, teilte das Institut mit. Seit Jahresbeginn seien mehr als 120 tote Tiere dorthin geschickt worden, darunter Amseln, Drosseln und Falken. 2023 gab es im gesamten Jahr lediglich 100 Einsendungen.
Das Bernhard-Nocht-Institut und der Nabu hoffen weiter auf die Hilfe durch die Bevölkerung und darauf, dass Menschen tote und kranke Tiere melden und einsenden. Auf diese Weise könne die Ausbreitung des Virus beobachtet, dokumentiert und wissenschaftlich ausgewertet werden. Wie das geht, steht auf der Homepage des Instituts.
Das Usutu-Virus wird durch heimische Stechmücken übertragen. In diesem Jahr gab es wieder besonders viele Mücken - und damit ein besonders hohes Infektionsrisiko. Infizierte Vögel wirken krank und apathisch, bis sie nach einigen Tagen sterben. Erstmals hatte der Erreger in Deutschland 2011 ein Vogelsterben ausgelöst. Das tropische Virus tritt seit gut zehn Jahren in Europa auf und breitet sich dem Nabu zufolge immer weiter aus.