„Mit der Einschulung startet eine Phase, in der gutes Sehen entscheidend für den schulischen Erfolg ist“, betont Dr. Michaela Friedrich, Dozentin im Fachgebiet Augenoptik/Optometrie/Vision Science an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Schlecht sehenden Kindern fällt es schwer, dem Unterricht zu folgen. Sie ermüden schneller. Leistungsabfall und Motivationsverlust sind die Folge.
Kurzsichtigkeit beginnt häufig in der Schulzeit und nimmt nach und nach zu. Am Ende der Grundschulzeit sind in Deutschland 15 Prozent der Kinder betroffen – bis zum 25. Lebensjahr alarmierende 45 Prozent. „Eine frühzeitige und regelmäßige Untersuchung der Sehkraft ist von großer Bedeutung, um eventuelle Sehprobleme rechtzeitig zu erkennen und Sehstörungen entsprechend zu versorgen“, erklärt Dr. Friedrich. Trotz klarer Empfehlungen von FachexpertInnen bleibt etwa die Hälfte der Kinder ohne aktuellen Sehtest.Die Ursache von Kurzsichtigkeit liegt oft im übermäßigen Gebrauch digitaler Geräte, dem damit verbundenen langen Nahsehen sowie einem Mangel an Tageslicht. Diese Faktoren begünstigen das Längenwachstum des Augapfels, die Veränderung der Brechkraft sowie Störungen des beidäugigen Sehens. Steigt die Kurzsichtigkeit auf über -6 Dioptrien, erhöht sich das Risiko schwerwiegender Augenerkrankungen wie Makuladegeneration oder Netzhautablösung drastisch.
„Kinder können Sehprobleme nicht selbst erkennen. Deshalb ist es entscheidend, dass Eltern und Erziehungsberechtigte frühzeitig handeln“, so Dr. Friedrich weiter. Das ist besonders wichtig, wenn beide Elternteile kurzsichtig sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass es die Kinder auch werden, liegt bei 60 Prozent. Ist das der Fall, sollten die Augen der Kleinen jährlich untersucht werden, bei normalsichtigen Schülern mindestens alle drei Jahre. Um offensichtliche Sehprobleme zu erkennen, wird das Sehvermögen auch im Rahmen der gesetzlich empfohlenen U-Untersuchungen und der Schuleingangsuntersuchung geprüft. Zur Erkennung subtilerer Sehprobleme empfiehlt das Kuratorium Gutes Sehen, vor der Einschulung die Augen von auf Kinder spezialisierten AugenärztInnen oder Optometristen untersuchen zu lassen. Zwar kann das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit (Myopie) in der Regel nicht aufgehalten werden. Ab dem sechsten Lebensjahr gibt es aber Möglichkeiten, das Fortschreiten zu bremsen. So können spezielle Brillengläser, Kontaktlinsen, Augentropfen oder eine Kombination dieser Maßnahmen helfen. Bei Störungen des beidäugigen Sehens soll durch individuelles Augentraining die Sehfunktionen verbessert werden. „Auf Myopie-Management spezialisierte AugenoptikerInnen, OptometristInnen und AugenärztInnen überwachen mit das Augenwachstum, prognostizieren die Entwicklung der Kurzsichtigkeit und empfehlen geeignete Schritte. Studien zufolge kann eine Kurzsichtigkeit so um 30 bis 60 Prozent verlangsamt werden“, weiß Dr. Friedrich.„Ein Game-Changer ist die Änderung des Lebensstils: Längere Aufenthalte im Freien sowie die reduzierte Nutzung digitaler Endgeräte entlasten die Augen und steigern die gesamte Leistungsfähigkeit der Kinder. So kann die Entstehung von Sehstörungen verhindert und das Fortschreiten verlangsamt werden“, fügt Dr. Friedrich hinzu.
1. Die Augen ihrer Kinder spätestens bis zum 3. Lebensjahr von einem Augenarzt untersuchen und testen lassen, und das unabhängig von den gesetzlich vorgeschriebenen U-Untersuchungen.