Die beiden Männer sind Patrick Pohlmann und Torge Peterson von der Gesellschaft für Freilandökologie und Naturschutzplanung in Molfsee. Das, was sie mit Schlingen, Netzen und vor allem mit den bloßen Händen versuchen zu fangen, sind streng geschützte Zauneidechsen. Und sie wollen für die Tiere nur das Beste.
Hintergrund ist der Bau der 380-kV-Ostküstenleitung. Die Freileitungstrasse soll die wachsende Strommenge aus Sonnen- und Windenergie transportieren. Sie führt vom nördlichen Ostholstein bis nach Lübeck und weiter in den Kreis Segeberg. Insgesamt wird sie 115 Kilometer lang und hat 285 Masten. „Im ersten Abschnitt von Segeberg bis Stockelsdorf sind wir im Bau. Im zweiten Abschnitt von Stockelsdorf bis zum Umspannwerk in Siems haben wir einen vorzeitigen Baubeginn“, erklärt Peter Hilffert, Pressereferent von Tennet. Das Unternehmen ist für den Bau der Leitung verantwortlich. Das bedeute, dass dort, wo alle Beteiligten schon zugestimmt haben, die Arbeiten bereits beginnen können.
Diese Arbeiten haben jedoch zunächst nur wenig mit Baggern zu tun. Viele Spaziergänger wundern sich, dass sie in den Sereetzer Tannen oder auf den Feldern rund um Siems überall Gebiete mit flachen, schwarzen Plastikzäunen abgesteckt sind. „Wir sind von der Tennet beauftragt, die Baufelder von den Zauneidechsen frei zu fangen. Die Tiere werden auf sicheren Ersatzflächen wieder ausgesetzt. Die Zäune sind Reptilienschutzzäune, die verhindern, dass die Tiere in die Baufelder zurückkehren und dann bei den Bauarbeiten zu Schaden kommen“, erklärt Patrick Pohlmann. Insgesamt sind es in dem Gebiet, das teils zu Ratekau und teils zu Lübeck gehört, derzeit zehn Baufelder mit einer Fläche von rund zweieinhalb Hektar.
Das Verfahren nennt sich Umweltbaubegleitung und kommt beispielsweise auch beim Bau der Schienenhinterlandanbindung zum Tragen. Die Rettungsaktion für die Zauneidechsen unterliegt strengen Regeln. „Wir sind auf jeder Fläche mehrfach mit drei bis fünf Leuten unterwegs. Und erst, wenn wir bei drei Begehungen keine Eidechse mehr gefunden haben, wird die Fläche freigegeben“, erklärt Reptilienexperte Pohlmann. Seit April sind die Naturschützer auf der Stromtrasse unterwegs, 150 Tiere konnten sie bereits fangen. Kein Wunder, dass die Reptilienfänger so erfolgreich sind. Pohlmann: „Während die Tiere in Richtung Nordwesten Schleswig-Holsteins seltener auftreten, haben wir im Raum Lübeck einen Verbreitungsschwerpunkt.“
In dem Wiesengebiet nahe der Autobahnabfahrt Lübeck-Dänischburg waren die Naturschützer schon häufiger. Hier sind noch wenige Zauneidechsen. Und die findet Torge Peterson. Der junge Mann ist schnell, mit den Augen und mit den Händen, Hilfsmittel braucht er nicht. „Notfalls setze ich zum Hechtsprung an“, sagt er lachend. Trotzdem sind die flinken Reptilien schwer zu fangen. „Manchmal klappt er nur jedes dritte Mal. Aber oft kriegen wir eine zweite Chance, denn sie kehren meist wieder an die gleichen Stellen zurück.“
Drei Zauneidechsen haben er und seine Kollegen an diesem Vormittag schon gefangen. Peterson greift flink auf den Boden und hält Sekunden später einer Eidechse in der Hand. „Das ist keine geschützte Zauneidechse, sondern eine weit verbreitete Waldeidechse.“ Er lächelt. „Aber natürlich retten wir die mit.“