Entsprechend haben jüngst schon die Bürgermeister Thomas Keller (parteilos, Ratekau) und Jan Lindenau (SPD, Lübeck) die Bad Schwartauer Forderung vehement kritisiert. Keller sprach von „Rosinenpickerei“ und bezeichnete das Ansinnen Bad Schwartaus als „rücksichtslos“ und „fatal“. Unabhängig davon hat sich die Stadtvertretung Bad Schwartau in ihrer jüngsten Sitzung einstimmig für eine X-Trassen-Prüfung ausgesprochen. Andernfalls werde die Stadt klagen. Schließlich habe sich die Faktenlage so maßgeblich geändert, dass eine erneute Prüfung zwingend erforderlich sei. „Wir haben viele Fakten gesammelt. Die besseren Argumente sprechen für die X-Trasse“, sagt Bernhard Schmidt, Bahn-Experte im Bauamt Bad Schwartau.
Die Kritik aus der Nachbarschaft wurde in der jüngsten Stadtvertretersitzung nicht weiter thematisiert. Die Kommunalpolitiker waren sichtlich bemüht, die Stimmung zu den Nachbarn nicht weiter zu vergiften. Auf diese Befindlichkeiten wollen die ehemaligen und langjährigen Stadtvertreter Hans Tylinski und Uwe Beckmann (beide SPD) allerdings keine Rücksicht nehmen. In einer gemeinsamen Stellungnahme werfen sie Ratekaus Bürgermeister Keller unlauteres Verhalten vor. „Wenn Herr Keller sich vor Jahren als Vorsitzender des Projektbeirates mit dem gleichen Elan auch für die Interessen Bad Schwartaus eingesetzt hätte und Fairness und Solidarität geübt hätte, welche er kürzlich eingefordert hat, bräuchte er heute wahrscheinlich nicht zu protestieren. Dass Ratekau mit der jetzigen Lösung sehr zufrieden ist, versteht sich. Schließlich erhält Ratekau zwei vollständige Umgehungen und einen neuen Bahnhof“, monieren die früheren Stadtvertreter, die sich zudem an der „völlig falschen Darstellung der Betroffenheit von Bad Schwartau“ stören.
Insbesondere an den Ausführungen, dass Bad Schwartau selbst für eine Vielzahl der Schutzfälle durch ein neues Bauvorhaben verantwortlich sei. Diese Darstellung treffe überhaupt nicht zu. Es seien lediglich zwei von knapp 200 betroffenen Wohngebäuden hinzugekommen. „Vom Vorsitzenden des Projektbeirates und verwaltungserfahrenen Bürgermeister Keller darf man doch eine zumindest rechtlich einwandfreie Darstellung der Situation erwarten und nicht solche kirchturmpolitisch geprägten Tiraden.“
Ratekaus Bürgermeister Thomas Keller (parteilos) will auf die scharfe Kritik der beiden ehemaligen Kommunalpolitiker nicht weiter eingehen. Als Sprecher des Dialogforums sei es seine Aufgabe gewesen, den Forderungskatalog aller Kommunen zu moderieren. Dabei sei auch die Situation Bad Schwartaus sehr intensiv beraten worden. „Die X-Trasse wurde für das gemeinsame Papier nicht gefordert. Sie würde auch keine geeinte Position darstellen können, da die betroffenen Kommunen Lübeck und Ratekau sich dagegen aussprechen“, erklärt Keller. „Auch hat die Bahn in den vergangenen Jahren stets darauf hingewiesen, dass der Vorzugsvariante im Planfeststellungsverfahren Alternativen gegenübergestellt werden müssen. Die X-Trasse wird dabei eine der Alternativen sein. Insofern ist die Bewertung durch die Bahn abzuwarten.“
Das Papier, das die Bad Schwartauer Stadtvertretung verabschiedet hat, enthält einige Argumente, die durchaus für die X-Trasse und gegen die bisherige Vorzugstrasse mitten durch Bad Schwartau sprechen. So ist die Wohnbebauung in Bad Schwartau deutlich dichter am Schienenweg gelegen. In einem Trassenabstand bis 40 Meter befinden sich in Bad Schwartau 62 Wohngebäude, in Dänischburg nur 13 Gebäude.
Auch in Sachen Erschütterungen spricht aus Sicht Bad Schwartaus vieles gegen eine Trassenführung durch die Stadt - in der Ortslage von Bad Schwartau ist laut Gutachten nachts mit „einer Zunahme von 630 gesundheitsrelevanten Überschreitungsereignissen durch Erschütterungen zu rechnen“. Bei der X-Variante liege die Zahl derartiger Überschreitungsereignisse in Dänischburg lediglich bei 160 Fällen. Die naturschutzrechtliche Bedenken bei der X-Variante seien durchaus nachvollziehbar, sagt Schmidt. Allerdings seien auch bei der Vorzugsvariante erhebliche naturschutzrechtliche Konflikte zu erwarten.
Weitere Argumente sind aus Sicht Bad Schwartaus, dass sich der Nahverkehr so erhöht habe, dass der Bau eines dritten Gleises in der Ortsdurchfahrt Bad Schwartaus unumgänglich sei, wenn auch der Güterverkehr über die Bestandstrasse und nicht über die X-Trasse rollen sollte. Bei einem Vergleich der Herstellungskosten schneidet die Vorzugsvariante bei einer Tieferlegung um 3,2 m erheblich schlechter als die X-Variante ab. Schmidt: „Die Kosten für die Vorzugsvariante sind unter Einschluss der Kosten für Immissionsschutz-Maßnahmen und zu leistende Entschädigungen deutlich mehr als doppelt so hohe Kosten zu erwarten.“