„Das Meer war eine ganz einfache Entsorgungsquelle“, sagte Unger. „Nun rosten die Altlasten durch. Wir finden Schadstoffe in Fischen und Pflanzen wieder.“ Ebenso würden immer wieder Munitionsreste an Stränden angespült. Insgesamt sollen an verschiedenen Stellen in Nord- und Ostsee rund 1,6 Millionen Tonnen lagern. Sebastian Unger sprach von einem Problem, „welches wir dringend in den Griff bekommen möchten“. Damit dies gelingt, hat die Bundesregierung ein mit 100 Millionen Euro ausgestattetes Sofortprogramm ins Leben gerufen. Bis 2026 soll klar sein, wie die Bergung und Entsorgung der enormen Menge an Altlasten gelingen kann – und zwar mitten auf dem Meer.
Wolfgang Sichermann ist Geschäftsführer der Seascape GmbH. Vor gut 100 Bürgern führte der Koordinator des Mega-Projekts aus, wie es jetzt weitergeht. Nach einer einmonatigen Sondierungsphase sollen die kürzlich beauftragten Unternehmen (SeaTerra GmbH sowie Eggers & Hansataucher) im Sommer mit der konkreten Bergung beginnen. Vom 15. August an sollen Räumschiffe, Unterwasserfahrzeuge und Kransysteme vor Haffkrug sowie im Gebiet Pelzerhaken-Nord zum Einsatz kommen. Geplant ist, die Munitionsreste innerhalb von 30 Tagen zu bergen. Von Mitte September bis Mitte Oktober ist der Bereich Pelzerhaken-West dran.
Sichermann und die anderen Akteure erhoffen sich von der Testphase gleich mehrere Erkenntnisse. Sie wollen herausfinden, wie genau sich Bomben, Granaten und Munition möglichst schnell, sicher und in großen Mengen bergen lassen. Diese und weitere Erkenntnisse – wie zum Beispiel der tatsächliche Zustand der Altlasten – sollen dann in die Entwicklung einer schwimmenden Verbrennungsanlage einfließen.Munition an Land zu verbrennen, ist ein etablierter Prozess“, sagte Sichermann. Dieser soll künftig auf dem Meer stattfinden, um Transporte über Land zu vermeiden. Hinzu komme, dass es Kampfmittel gebe, die man nicht über Straßen transportieren könne, da dies zu gefährlich sei. Generell gelte, dass Altlasten in besonders schlechtem Zustand bereits unter der Wasseroberfläche in entsprechende Behälter verpackt würden, um ein Zerbrechen sowie ein Austreten von Schadstoffen zu verhindern. Klar ist aber auch, dass die 50 Tonnen, die in diesem Jahr gehoben werden sollen, per Lkw abtransportiert werden müssen. Geplant ist, dass die Weltkriegs-Überreste per Schiff in den Hafen der Marine in Neustadt gebracht werden. Dort sollen sie verladen und schließlich über die Autobahn 1 nach Munster in Niedersachsen gebracht werden. Gefährlich sei dies nicht, da es sich um nicht scharfe Kampfmittel handele. Die in Munster ansässige Geka mbH übernimmt schließlich im Auftrag des Bundes die endgültige Entsorgung. Wolfgang Sichermann erklärte auf Nachfrage, dass es maximal zehn Fahrten über die A 1geben werde.Die Experten betonten bei der Info-Veranstaltung, dass es keinerlei Hinweise auf chemische Munition vor Pelzerhaken oder Haffkrug gebe. Dennoch ist klar, dass mit der Bergung gewisse Risiken einhergehen, wobei diese laut den Experten als gering eingestuft werden. Unter anderem soll es Sicherheitsabstände für Taucherinnen und Taucher geben, welche das Wasser- und Schifffahrtsamt vorgeben wird. Auch sollen an Bergungstagen Sperrgebiete für Schiffe eingerichtete werden. Die genaue Kennzeichnung der Flächenist aber noch offen.Um stets zu wissen, ob sich die Konzentration von Schadstoffen in der Ostsee durch die Bergung verändert, sollen regelmäßig Proben genommen und untersucht werden. Die momentanen Werte für Badegäste seien ungefährlich, sagte Sichermann. Er erwarte keinen Anstieg, der zu einer Sperrung von Stränden führen würde. Für Schwierigkeiten könnte allerdings starker Ostwind sorgen, der in den vergangenen Jahren immer wieder zu hohen Wellen, einer starken Strömung und Badeverboten geführt hat. „Bei sechs Windstärken und Wellen von einem Meter Höhe müssen wir die Arbeiten stoppen“, erklärte der Geschäftsführer der Seascape GmbH.
Offen ist noch, wie die massenhafte Bergung auf See am Ende finanziert wird. „Wir wollen auch Landesmittel einsetzen“, sagte der Kieler Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). „Wir wissen, dass wir mehr Geld brauchen.“ Jedoch gebe es bislang keine Einigkeit unter den Ländern und dem Bund.