In dem großzügigen, hellen Neubau in Lübeck stehen dem IBAF-Pflegezentrum nun 1300 Quadratmeter in direkter Nachbarschaft zum Job-Center zur Verfügung. Angeboten wird dort unter anderem die EU-weit anerkannte generalistische Pflegeausbildung, bei der die Schüler innerhalb von drei Jahren drei verschiedene Berufe lernen. Nach bestandener Prüfung könnten sie sowohl in der Alten- und Krankenpflege als auch in der Kinderpflege arbeiten, erläutert Barbara Schäckel vom IBAF, das in Schleswig-Holstein drei weitere Pflege-Schulungszentren betreibt.
An allen Standorten sei die Schülerschaft sehr heterogen. Vertreten seien verschiedene Kulturen und das Altersspektrum reiche von 17 bis 50 Jahre. Derzeit machen 150 Schüler die generalistische Pflegeausbildung in Lübeck, zeitnah soll ihre Zahl laut Lessing auf 170 bis 180 anwachsen. Hinzu kommen diverse Fort- und Weiterbildungsangebote sowie die einjährige Ausbildung zum Pflegeassistenten.
Die neuen Räume eröffnen laut Lessing auch neue Möglichkeiten. Die bunt bestuhlten Klassenräume sind mit digitalen Tafeln und die Schüler mit iPads ausgestattet. Highlight des Lübecker Pflegezentrums sind drei sogenannten Skills Labs. In diesen Lernlaboren mit digitaler Unterstützung können die Azubis praktisch arbeiten, ohne befürchten zu müssen, dass bei eventuellen Fehlern Menschen zu Schaden kommen. Die angehenden Pflegekräfte versorgen in den drei Räumen durch KI gesteuerte Puppen verschiedenen Alters, die zum Beispiel schreien, zucken oder sich sogar erbrechen können.
Die einzelnen Skills Labs bilden die verschiedenen Arbeitsfelder ab. Der erste Raum ist eingerichtet wie ein Zimmer in einer Pflegeeinrichtung, mit einem kleinen Waschbecken, gemütlichem Sessel und Bilder an den Wänden. In dem Pflegebett am Fenster liegt eine ältere Puppe mit Falten und grauem Haar. An ihr üben die Azubis unter anderem, wie man einen Katheter legt.
Im Zimmer nebenan ist der Patient eine Kinderpuppe mit buntem Krankenhausnachthemd und Stofftier im Arm. Sie kann je nach Übungsszenario gegen eine Säuglings- oder Kleinkind-Puppe ausgetauscht werden. Die Azubis trainieren hier unter anderem das Anlegen einer Sauerstoffnasenbrille oder das Messen von Vitalparametern. Der letzte Raum ist deutlich nüchterner - er steht für ein typisches Zweibett-Zimmer im Krankenhaus. Dort lernen die Azubis zum Beispiel das Anlegen eines Tropfs und das Verabreichen von Medikamenten.
Puppen, die gerade nicht gebraucht werden, lagern im Materialraum in Decken gehüllt in riesigen Schubladen, daneben stehen in durchsichtigen Plastikkisten „Ersatzteile“ wie diverse Füße mit und ohne Erkrankungen.
Ergänzt wird das digitale Angebot durch den Einsatz von VR-Brillen, mit denen verschiedenste Herausforderungen zum Beispiel in der Säuglingspflege durchgespielt werden können. „Dieses Üben in einem geschützten Rahmen soll den Schülern Sicherheit geben“, betont Lessing. „Sie können vor dem direkten Patientenkontakt so lange an den Puppen üben, bis sie eine Routine entwickelt haben und sich absolut sicher fühlen.“
Lessing und Schäckel sehen in den Skills Labs ein wichtiges Verbindungselement zwischen den anderen beiden Lernorten Schule und Praxis. Die beiden hoffen, dass die „optimale Vorbereitung durch die Skills Labs die Zahl der Ausbildungsabbrüche reduziert“.
Für die Zukunft hat Schulleiterin Lessing vor allem zwei Wünsche: Zum einen hofft sie, dass der Anteil männlicher Azubis in der Pflege weiter steigt. Derzeit machen sie ein Drittel der Absolventen aus. Zum anderen wünscht sie sich eine Änderung bei der generalistischen Ausbildung: „Alten- und Krankenpflege lassen sich gut zusammenfassen“, sagt Lessing. Aber der Bereich Kinderkrankenpflege sollte ihrer Ansicht nach wieder ein eigenständiger Beruf sein. „Dieses Feld ist sehr komplex und rechtfertigt einen eigenen Ausbildungsgang“, findet die Pflege-Expertin.
Wichtig ist dem zur Diakonie gehörenden Pflegeschulungszentrum auch die Auseinandersetzung mit Werten, betont Lessing. So gibt es zum Beispiel regelmäßig Workshops zum Thema Demokratie. Geplant ist auch ein Projekt zur Medizingeschichte, bei dem ein Schwerpunkt auf der Zeit des Nationalsozialismus liegen soll. Lessing betont: „Wir bilden hier nicht nur Pflegekräfte aus, sondern Menschen, die andere versorgen und dabei eine Haltung einnehmen.“ Es gehe bei der Ausbildung nicht nur darum, Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, sondern auch darum „die Persönlichkeit des einzelnen zu stärken“.