Die vermeintliche Rechtsanwältin erklärte, dass die Tochter von Friedhelm Bauer dringend eine große Summe Bargeld als Sicherheit benötige – andernfalls müsse sie, nachdem sie einen tödlichen Verkehrsunfall verschuldet habe, ins Gefängnis. Friedhelm Bauer wiegelte zunächst ab. „So etwas gibt es doch nur in Amerika, aber nicht in Deutschland“, antworte er der Anruferin zunächst und beendete das Gespräch. Doch kaum hatte Friedhelm Bauer aufgelegt, klingelte es erneut. Immer wieder. Der ständige Druck der Anruferin zeigte Wirkung. „Ich war wie geblendet. Zwei Stunden lang wusste ich gar nicht mehr, was ich tat“, beschreibt Friedhelm Bauer im Nachhinein die Situation. Er kramte alles Geld im Haus zusammen, was er nur auffinden konnte – rund 7000 Euro. Doch von den geforderten 100.000 Euro als Sicherheit blieb er weit entfernt. Um den Betrag aufzustocken, fuhr er schnell zur Sparkasse, um noch einen Betrag aus dem Schließfach zu holen. Doch Friedhelm Bauer hatte Glück im Unglück. Wegen eines Stromausfalls konnte er nicht ans Schließfach ran. Lediglich zwei Goldbarren, die er noch im Haus hatte, konnte er der Rechtsanwältin in Aussicht stellen.
Nur wenige Minuten später stand ein junger Mann vor dem Haus von Friedhelm Bauer. Der Unbekannte reichte Friedhelm Bauer ein Handy – am anderen Ende erklärte die vermeintliche Rechtsanwältin, dass der Mann ein Kurier sei und das Geld als Sicherheit zur Staatsanwaltschaft bringen werde. Friedhelm Bauer überreichte das Kuvert. Der unbekannte Mann verschwand unerkannt – just in dem Augenblick als der Sohn von Friedhelm Bauer dazukam. „Da war mir auf einmal ganz klar, was passiert war“, erinnert sich der Bad Schwartauer. Umgehend wurde die Polizei alarmiert. Doch von den Tätern fehlt nach wie vor jede Spur.
Der Fall beschäftigt Friedhelm Bauer bis heute. „Es gibt Nächte, da kann ich kaum schlafen“, sagt der Senior, der sich selbst große Vorwürfe macht. Anrufe mit unterdrückter Telefonnummer nimmt er seit dem Vorfall nicht mehr an. „Das ist eine gute Maßnahme“, sagt Holger Dabelstein, Vorsitzender des Weißen Rings Ostholstein und Polizeidirektor a.D., der Fälle wie den in Bad Schwartau zur Genüge kennt. Glücklicherweise liefen die meisten Schockanrufe ins Leere.
„Wir haben im Schnitt drei Fälle im Jahr, in denen auch Geld fließt und sich die Betroffenen melden“, berichtet Dabelstein, der aber durchaus nachvollziehen kann, dass Betroffene in der Ausnahmesituation nicht mehr klar denken können. „Es wird so viel Druck aufgebaut. Gerade, wenn es um die eigenen Kinder geht – da ist keiner vor gefeit.“ Den Kontakt zum Opferhilfeverein hat die Tochter von Friedhelm Bauer vermittelt. „Das hat schon geholfen, darüber zu sprechen“, berichtet Friedhelm Bauer..