Lars Fechner steigt aus dem Führerhaus seines Lastwagens. Bereits zum dritten Mal an diesem Tag steht der 59-Jährige für jeweils rund 45 Minuten vor dem geschlossenen Bahnübergang an der Elisabethstraße. „Was hier passiert, ist wirklich unfassbar“, sagt der Kraftfahrer verärgert. „In der Zeit kann man kein Geld verdienen. Mein Chef überlegt schon, Regressansprüche zu stellen“, berichtet Fechner.
Die ständig defekte Schrankenanlage sorgt auch bei Anwohner Ricardo Nehls (34) für Unmut. „Die Situation ist wirklich unglaublich. Die Bahn bekommt das Problem nicht in den Griff. Mal bleiben die Schranken oben, mal durchgehend unten. Bereits vor zehn Stunden war ein Reparatur-Team hier, nun ist die Anlage erneut defekt“, sagt Nehls, der seit knapp zwei Jahren mit seiner Familie am Bahnübergang Elisabethstraße lebt.
„Wenn man hier hinzieht, weiß man, dass es nicht ganz ruhig zugeht“, sagt Nehls. Just in diesem Augenblick bleibt ein Zug am defekten Bahnübergang stehen. Vorschriftsmäßig ertönt drei Sekunden lang ein lautes Pfeifsignal, dann rollt der Zug langsam weiter. „Wenn das nachts passiert, schrecken wir hier alle hoch. Auch unser fünf Monate altes Baby. Da kommt man auch nicht mehr so schnell in den Schlaf.“
Nehls ist zudem besorgt, dass an dem Übergang früher oder später ein Unfall passiert. „Ich habe hier schon ganz brenzlige Situationen erlebt“, berichtet der Familienvater, der bereits häufig bei der Polizei und der Bahn angerufen hat, um die Ausfälle der Schrankenanlage zu melden. Zuletzt am Wochenende, als es nicht nur am Bahnübergang Elisabethstraße, sondern auch an der Kaltenhöfer Straße und in Lübeck massive Probleme gab. „Die sind schon ganz genervt, wenn ich mich da melde“, berichtet Nehls.Jüngst blieb der Übergang sogar eine ganze Nacht lang geschlossen. Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer seien dann im Zickzack um die Schranken gefahren, um den Übergang zu queren. Die zuständige Bundespolizei, die nun regelmäßig zu dem Bahnübergang gerufen wird, möchte die technischen Schwierigkeiten nicht weiter bewerten. „Es ist sicherlich ein Gefahrenpunkt. Sobald wir Kenntnis von Problemen dieser Art, Ordnungswidrigkeiten oder auch Straftaten haben, sind wir zur Stelle“, teilt Bundespolizei-Sprecherin Katharina Wala mit.
Dass die Anlage ständig streikt, liege vermutlich daran, dass die Bahn drumherum schon mit einer neuen Technik arbeitet, die mit der alten Technik am Bahnübergang Elisabethstraße nicht kompatibel sei, sagt Nehls. „Weil der Bahnübergang im Zuge der Schienenhinterlandanbindung zur festen Fehmarnbeltquerung in zwei Jahren ohnehin gänzlich verschwinden soll, will die Bahn hier keine neue Technik mehr einbauen“, vermutet der Anwohner weiter. Er befürchtet, dass sich das Schrankentheater bis in das Jahr 2026 ziehen könnte.
Diese Vermutung weist die Bahn zurück. Die Probleme haben laut einer Sprecherin der Bahn einen ganz anderen Hintergrund. „Auf der Strecke Lübeck–Lübeck-Travemünde wurden die Bahnübergänge mit dem elektronischen Stellwerk Lübeck 2003 in Betrieb genommen. Derzeit aktualisieren wir die Technik an den Bahnübergängen mit neuen Schienenkontakten und einer Umrüstung der Lichtzeichen auf LED“, teilt die Sprecherin mit und räumt ein, dass es derzeit Probleme an einigen Bahnübergängen gibt.
Ob dieses Umstands seien Techniker unterwegs gewesen, um Störungen schnellstmöglich zu beheben. Die Bahn-Sprecherin: „Wenn es in Ausnahmefällen sehr lange dauert, bitten wir alle Betroffenen um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.“ Von möglichen Regressforderungen jener Firmen, die durch die häufigen und langen Schließzeiten Verdienstausfälle haben, ist der Bahn bislang nichts bekannt.
Unterdessen wurde am benachbarten Bahnübergang Zur Teerhofinsel gearbeitet. Weil die Schrankentechnik weiterhin nicht funktionierte, kamen dort Sicherungsposten zum Einsatz, die bei der Durchfahrt von Zügen den Bahnübergang mit einem rot-weißen Ziehharmonikaband absperrten: Handarbeit statt moderner Sicherheitstechnik.