Klar ist: Bad Schwartau ist besonders betroffen. Während alle anderen Orte umfahren werden, geht die neue Schienenstrecke direkt durch die Stadt. 60 Prozent der an der Trasse lebenden Ostholsteiner haben ihr Zuhause in Bad Schwartau. Auf der Strecke werden täglich knapp 70 Güterzüge mit Längen von bis zu 835 Metern fahren. „Weil viel Bebauung nahe an den Schienen ist, brauchen wir einen besonderen Schutz“, sagt Bürgermeisterin Katrin Engeln. Neben ihr sitzt Bernhard Schmidt. Der Mitarbeiter aus dem Bauamt ist seit acht Jahren fast ausschließlich mit dem Thema beschäftigt.
Es sind turbulente Jahre, in denen Bad Schwartau an der Sieben-Meter-Lösung festhält. „Nur so wird die Erschütterung durch den Schienenverkehr ausreichend reduziert“, sagt Schmidt. In der Zeit schlagen Kreis und DB eine punktuelle Tieferlegung um 3,2 Meter vor. Mit Folgen: Im Juli 2020 gibt der Bundestag 232 Millionen Euro für übergesetzlichen Lärmschutz frei – inklusive der 3,2-Meter-Lösung. „Dem haben wir nie zugestimmt“, betont der Bauingenieur.
Dann passiert lange nichts. Im Dezember 2022 macht die Bahn plötzlich eine Kehrtwende und will nur noch ohne Absenkung der Gleise bauen. Die Gründe: ein mittlerweile bebautes Grundstück an der Kaltenhöfer Straße und zu umfangreiche Eingriffe ins Grundwasser. Letzteres habe das hydrologische Gutachten der Stadt widerlegt, erzählt Schmidt. Im Frühjahr 2023 lenkt der Verkehrskonzern ein und plant wieder mit der 3,2-Meter-Absenkung Höhe Kaltenhöfer Straße. Mittlerweile ist es sogar die Vorzugsvariante. Geprüft wird weiterhin eine Trasse ohne Absenkung. Die Sieben-Meter-Lösung, für die es einen einstimmigen Beschluss der Stadt gibt, ist aus dem Rennen.
Engeln und Schmidt wissen, dass es ohne zusätzliche Belastungen nicht gehen wird. „Hat die Bahn die optimale Lösung, müssen wir sie akzeptieren – auch, wenn es vielleicht eine Zumutung ist“, sagt Schmidt. Werden allerdings Rechte verletzt, ist die Situation eine andere. Die Stadt könnte klagen, der Baustart würde sich verzögern und die rechtzeitige Inbetriebnahme der Hinterlandanbindung bis 2029 gefährden. „Wir haben großes Interesse daran, dass es nicht vor Gericht geht. Ausgeschlossen ist das aber nicht“, erklärt Engeln.
Wie geht es weiter? Ende 2024 will die Bahn ihre Planung beim Eisenbahnbundesamt zur Prüfung einreichen. 2025 sollen die Unterlagen ausgelegt werden. Dann kann die Kommune reagieren. Wie die Probleme des Lärm- und Erschütterungsschutzes gelöst werden, ist also noch offen. Sicher ist aber: Ohne Sieben-Meter-Trog braucht es im Stadtgebiet bis zu acht Meter hohe Lärmschutzwände für 30 Millionen Euro. Doch das reicht wohl nicht aus.
Das Problem ist der sekundäre Luftschall. Die Erschütterungen von der Schiene verursachen Schwingungen der Decken- und Häuserwände. Ein Gutachten der Technischen Universität Dresden, das die Stadt eingeholt hat, sieht gesundheitsschädliche Einflüsse in Form von erheblichen Schlafstörungen. Über 100 Wohngebäude sind laut Studie betroffen. „Sie haben dann vor der Tür eine acht Meter hohe Lärmschutzwand und im Schlafzimmer trotzdem Lärm“, erklärt Schmidt. Engeln wird deutlicher: „Das ist ein Eingriff in die Stadtentwicklung. Gesundes Wohnen wäre in diesem Gebiet nicht mehr möglich.“
Klein beigeben ist also keine Option. „Der Trassenbau wird Bad Schwartau für die nächsten 100 Jahre grundlegend verändern“, ist Schmidt sicher. Zumal das Trassen-Drama an der Stelle keineswegs zu Ende ist. Seit Ende Oktober sieht ein Bundesgesetz zum Ausbau der Schienenwege vor, dass zwischen Lübeck und Bad Schwartau zwingend ein drittes Gleis gebaut werden muss. Hintergrund ist der Deutschlandtakt. Um den einzuhalten, braucht es ein weiteres Gleis, weil die Stadt ein Flaschenhals ist mit ihren vielen Verbindungen.
Auf Nachfrage habe die Bahn das allerdings verneint, erzählt Schmidt und vermutet: „Es wird dann wohl hinterher geplant und extra gebaut.“ Für Schwartau ist das ein weiteres Problem. „Das dritte Gleis liegt näher an der Bebauung“, erklärt Schmidt. Besonders ärgerlich: Bleibt der Lärmzuwachs unter drei Dezibel, besteht kein zusätzlicher Schutzanspruch für Anwohner.