Entsprechend soll dann auch der Abschnitt von Lübeck-Siems über Bad Schwartau nach Stockelsdorf abgeschlossen sein. Damit diese Leitung 2026 steht, hat Tennet jüngst den Antrag auf vorzeitigen Baubeginn der Ostküstenleitung für Teile dieses 15 Kilometer langen Abschnitts im Raum Lübeck eingereicht. Dieses Vorgehen stößt nicht überall auf Gegenliebe – insbesondere in Bad Schwartau und Ratekau nicht. Schließlich geht ein Teil der geplanten Trasse durch den Riesebusch und durch das Naturschutzgebiet Sielbektal.
„Die Eingriffe in die Natur sind sehr schwerwiegend“, sagt Ellen Brümmer von der Bürgerinitiative Achtung-380kV. „Der Antrag auf vorzeitigen Baubeginn folgt der Strategie, bereits vor der Entscheidung der Planfeststellungsbehörde Fakten zu schaffen. Darin steckt sicherlich auch die Botschaft des Übertragungsnetzbetreibers an die Menschen, die sich weiterhin mit guten Argumenten gegen die Planungen der Tennet wenden, ihren Widerstand aufzugeben“, vermutet Brümmer, die die Planfeststellung für diesen Abschnitt nicht als „Selbstgänger“ bezeichnet.
Ähnlich schätzt auch Bad Schwartaus Bürgermeisterin Katrin Engeln (Bündnis 90/Die Grünen) die Situation ein. „Ich sehe einen vorzeitigen Baubeginn sehr kritisch. Die Stadt Bad Schwartau hat ihre Argumente gegen den geplanten Trassenverlauf im Planfeststellungsverfahren eingebracht. Durch die geplante Trassenführung kommt es zu einer Beeinträchtigung von geschützten Tieren und Pflanzen, insbesondere in den von der Trassenführung betroffenen Natura 2000 Gebieten.“ Sie erinnert zudem daran, dass es einen einstimmigen Beschluss der Stadtvertretung für eine Klageerhebung gegen den Planfeststellungsbeschluss für die geplante Trassenführung gibt, sofern die von der Stadt Bad Schwartau im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eingebrachten Argumente im Beschluss keine angemessene Berücksichtigung finden sollten.
Tennet versucht indes den Ball flachzuhalten. Der Antrag auf vorzeitigen Baubeginn betreffe nur unstrittige Bereiche bei denen die Zustimmung der Flächen-Eigentümer vorliege. „In den Bereichen, wo es noch offene Punkte zum geplanten Verlauf gibt, starten die bauvorbereitenden Tätigkeiten erst, wenn der Planfeststellungsbeschluss in diesen Abschnitten ergangen ist. Damit ist im Frühjahr nächsten Jahres zu rechnen“, erklärt Tennet-Bürgerreferent Sören Wendt.
Im Falle einer Genehmigung des „Schnellstart“-Antrags ist vorgesehen, zum Jahreswechsel unter anderem mit dem Gehölzrückschnitt zu beginnen. Zum Schutz der Tiere darf dieser nur im Winter stattfinden. Ohne diesen Gehölzrückschnitt könnte im Sommer, kurz nach Erhalt des Beschlusses, auf den Flächen für die Provisorien nicht mit den bauvorbereitenden Maßnahmen begonnen werden. Wendt: „Eine Verzögerung des Energiewendeprojektes wäre die Folge.“
„Das oft wiederholte Argument der Notwendigkeit der Energiewende rechtfertigt die aktuelle Planung nicht“, hält Brümmer dagegen. Der Bau dieser Trasse von Siems nach Stockelsdorf habe nach wie vor nichts mit der Energiewende zu tun. Es gehe nur darum aus wirtschaftlichen Gründen das Baltic Cable in Siems mit einer 380-kV-Freileitung neu anzubinden. Auch Bürgermeisterin Engeln sieht diese Art der Planung äußerst kritisch. „Hier werden die 380-kV-Leitung Lübeck-Siems und die 380kV-Leitung Lübeck-Göhl ohne triftigen Grund miteinander verzahnt. Die 380kV-Leitung Lübeck-Siems schließt an das Baltic Cable an, das seit 1994 in Betrieb und dessen technische Lebensdauer somit zeitlich begrenzt ist“, erklärt Engeln.
Die Chancen, dass der vorzeitige Baustart in bestimmten Bereichen der Trasse zwischen Siems und Stockelsdorf mit rund 40 Maststandorten genehmigt wird, werden vermutlich ganz gut stehen. Bereits beim Projektabschnitt von Henstedt-Ulzburg nach Stockelsdorf, durfte Tennet im Frühjahr 2023 mit den Vorbereitungen für den Mastbau beginnen – unabhängig von der Planfeststellung.