Die praktische Prüfung zum Fahrradführerschein in Bad Schwartau ist etwas Besonderes. Es ist die landesweite Auftaktveranstaltung der Aktion „Sattelfest“, die von der Landesverkehrswacht und der Provinzial-Versicherung organisiert wird. Insgesamt absolvieren rund 27 000 Schüler aller vierten Klassen an schleswig-holsteinischen Grundschulen auch in diesem Jahr die theoretische und die fahrpraktische Ausbildung für den Fahrradführerschein. Hintergrund ist das hohe Unfallrisiko bei Rad fahrenden Kindern.
„Die Zahl der verunfallten Kinder als Radfahrer ist im letzten Jahr wieder deutlich gestiegen auf 578 Kinder. Das ist ein Anstieg von über vierzehn Prozent gegenüber dem Vorjahr und zeigt die Notwendigkeit einer guten Radfahrausbildung in den vierten Klassen“, sagt Elisabeth Pier, Vizepräsidentin des Landesverkehrswacht.
Deswegen wird an der Grundschule nicht nur die Fahrradprüfung absolviert, sondern auch ein großer Feuerwehrwagen auf den Schulhof gefahren. Und das nicht nur, weil Feuerwehrautos spannend sind, sondern weil die Kinder daran viel über den toten Winkel lernen können. „Schaut mal“, sagt Roland Hamann von der Kreisverkehrswacht und zeigt auf eine Zeichnung, die er an den Feuerwehrwagen geklebt hat, „all die rot straffierten Bereiche sind die, die der Lkw-Fahrer nicht sehen kann.“Damit die Kinder das praktisch erleben können, dürfen sie auch selber mal auf dem Fahrersitz Platz nehmen. Und plötzlich sind die Mitschüler verschwunden: Die ganze Klasse steht im toten Winkel neben dem Feuerwehrauto – und auch Hamann, der sich direkt vor das Auto gestellt hat, ist nicht mehr zu sehen. „Ich hätte nicht gedacht, dass man da so wenig sehen kann, aber es war toll, mal im Feuerwehrauto zu sitzen“, sagt Emilia (9) aus der 4a.
Die Polizistinnen Silke Ziemann und Simone Sölter von der Präventionsstelle der Polizeidirektion wissen, wie wichtig das Lernen und Training ist. „Grundsätzlich beobachten wir, dass die Kinder motorisch weniger fit sind als früher“, sagt Sölter. Sie rät auch, Kinder nicht zu überfordern.
„Erst ab acht Jahren können Kinder überhaupt ein Gefahrenbewusstsein entwickeln und vorausschauend fahren. Auch psychomotorische Fähigkeiten wie das Wegnehmen einer Hand vom Lenker, um Handzeichen zu geben, werden erst ab diesem Alter entwickelt.“ Deswegen sollten Eltern genau überlegen, ab wann sie ihr Kind mit dem Rad zur Schule schicken, findet Ziemann.
„Jedes Kind ist ein Einzelfall und Eltern müssen gucken, wie weit der Weg ist, wie gefährlich er ist und was man seinem Kind zutraut“, sagt die Polizistin. Grundsätzlich sollten Kinder in der Anfangszeit immer von einem Elternteil begleitet werden. Ziemann: „Ich persönlich würde mein Kind in der Grundschule nicht mit dem Fahrrad, sondern zu Fuß losschicken, wenn der Weg nicht zu weit ist.“